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taz-serie „wie retten sie die welt?“ heute: guntram meier, schädlingsbekämpfer„Ich bin ein global arbeitender Rattenfänger“

Auf dem G-8-Gipfel Mitte dieser Woche in Heiligendamm treffen sich die Mächtigen der Welt, um zu besprechen, wie es mit unserem Erdball weitergehen soll. Antworten – das ist jetzt schon klar – werden sie keine finden. Sie brauchen Nachhilfe. „Wie retten Sie die Welt?“, fragt die taz deswegen bis zum Gipfeltreffen jeden Tag eine/n interessante/n Berliner/in.

„Die Welt kann man nicht mit einer einzigen Aktion retten. Wie ein riesiges Rad dreht sich der Prozess der schleichenden Zerstörung der Umwelt immer weiter. Dem kann man vielleicht in die Speichen greifen und es etwas verlangsamen, aber stoppen kann man es nicht mehr. Mein Ansatz der Weltrettung ist sicher etwas ungewöhnlich: Ich kämpfe nämlich gegen Ratten.

Gelernt habe ich Tierpfleger, danach arbeitete ich in der Verwaltung des Zoologischen Gartens als Artenschutzbeauftragter. 2001 habe ich eine Ausbildung zum Schädlingsbekämpfer gemacht. Mein Job hat aber nichts mit den Kollegen zu tun, die in Berliner Wohnungen oder Kellern Gift auslegen. Ich bin ein global arbeitender Rattenfänger.

Ich bin schon immer gerne gereist und interessiere mich sehr für andere Länder und Kulturen. Außerdem engagiere ich mich von jeher für den Naturschutz – in meiner Arbeit kann ich all diese Aspekte verbinden. Ich besitze eine kleine Firma, je nach Projekt arbeiten drei, fünf oder auch mal mehr Leute für mich. Wir reisen durch die Welt, um invasive Tierarten zu bekämpfen. Das sind Tiere, die von Menschen in bestimmte Regionen eingeschleppt worden sind, in denen sie eigentlich nicht vorkommen – das beste Beispiel sind Ratten.

Die Hausratte stammt ursprünglich aus Indien, die Wanderratte aus Zentralasien. Mit Aufkommen der Schifffahrt hat der Mensch die äußerst anpassungsfähigen Tiere auf der Welt verteilt. In Deutschland stören Ratten in der Tierwelt nicht, weil sie keine anderen Arten bedrohen. Aber in kleinen Inselstaaten in der Karibik, im Pazifik oder im Atlantik machen sich die Ratten über alles her, was dort in freier Wildbahn herumläuft. Tausende von Albatros-Jungvögel sind dort pro Jahr von Ratten gefressen worden. Auch die Meeresschildkröte haben die Nager an vielen Stränden fast ausgerottet.

Bei der Rattenbekämpfung gehen wir so vor, dass wir die Inseln mit Gitternetzen überziehen und dann Giftköder auslegen. Seitdem wir die Ratten auf einer Insel in Indonesien gezielt bekämpft haben, schlüpfen dort wieder jedes Jahr 300.000 Meeresschildkröten. Für die Art war die Rattenplage auch deshalb so bedrohlich, weil sie viele natürliche Feinde haben. Nur ein Bruchteil der Jungtiere überlebt, nämlich zirka ein Prozent.

Meine Firma wird von Regierungsbehörden, Nichtregierungsorganisationen oder Weltbankprojekten beauftragt. Wir sind gut im Geschäft. Und wenn eine kleine NGO uns nicht bezahlen kann, arbeiten wir auch mal kostenlos – wenn uns genug Leute gestellt werden. Ganz wichtig ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Wir versuchen immer, vor Ort die Leute zu trainieren.“ PROTOKOLL: PLUTONIA PLARRE

Guntram Meier, 35, arbeitet weltweit als Schädlingsbekämpfer. Vorher hat er eine Lehre als Tierpfleger abgeschlossen

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