: Schwitzen für die Zukunft
WISSENSCHAFT Ugandische Studenten entwickeln ein Elektroauto für die Massenproduktion – trotz Schlaglöchern und Stromausfällen
PAUL MUSASIZI, INGENIEUR
VON SIMONE SCHLINDWEIN (TEXT) UND YANNICK TYLLE (FOTOS)
Mitten in einer Lache aus Öl und Metallspänen steht Paul Musasizi: frisch gebügeltes Hemd, glänzend polierte Schuhe und Laptop unter dem Arm. Während um ihn herum Mechaniker in schmierigen Kitteln hämmern und schweißen, beugt sich der promovierte Elektroingenieur über die Karosserie.
Die Reifen sind schon montiert, doch die Radaufhängungen führen ins Leere. Dort, wo eigentlich der Motor sitzen sollte, klafft noch ein Loch. „Hier werden wir ihn bald einbauen, den Elektromotor.“ Musasizi wischt sich die Fingerkuppen mit einem Stofftuch sauber.
Afrikanisches Know-how
Musasizi ist der technische Leiter eines Forschungsprojekts der Universität Makerere in der Hauptstadt Kampala. Er will ein Exempel setzen: „Auch Afrika ist ein Technologiestandort“, sagt er voller Überzeugung. Um das zu beweisen, basteln er und seine 15 Studenten an einem Elektroauto. Das erste afrikanische E-Auto wurde bereits 2008 von Ingenieuren aus Kapstadt in Paris vorgestellt. Doch die Ugander sind ihnen auf den Fersen.
„Kiira“ haben die Ingenieure ihren Prototypen getauft, erzählt Musasizi, während er die engen Treppen zu seinem Büro im zweiten Stock der Technologischen Fakultät hinaufhetzt. Kiira heißt auch der Nil-Wasserfall, der gerade durch einen neuen Damm gestaut wurde. Der dort gewonnene Strom soll bald das erste E-Auto des Landes antreiben.
Schon im September soll der Prototyp über den Campus rollen. Oben im Büro fühlt sich der Ingenieur merklich wohler als im Keller. Hier haben sie das Auto am Computer entwickelt: Maschinenbauer, Ingenieure, Architekten, Designer, IT-Spezialisten und Kommunikationswissenschaftler. Ein solch interdisziplinäres Projekt sei noch selten in Afrika, sagt Musasizi: „Doch wir wollen der Welt zeigen, dass auch wir das Know-how dazu haben.“
Designer Richard Madanda klickt sich am Computer durch seine 3-D-Entwürfe. Das von ihm entworfene E-Auto ähnelt dem deutschen E-Auto „Benni“, eben ein typisches Stadtauto mit zwei Sitzen und kleinem Kofferraum. Aber es gibt einen gewaltigen Unterschied: Kiira ist aufgebockt wie ein Geländewagen. Der Designer lacht: „Anders können wir das Problem mit den tiefen Schlaglöchern nicht meistern.“
Bis zu sechzig Stundenkilometer soll Kiira fahren und mit einer Batteriefüllung fünfzig bis sechzig Kilometer weit kommen. Aufgeladen wird es an ganz normalen 220-Volt-Steckdosen. Theoretisch. Doch in Uganda kommt es fast täglich zu Stromausfällen – wird das den Tüftlern nicht zum Verhängnis? Niemand will zur Arbeit laufen, nur weil das Stromnetz mal wieder überlastet ist. Musasizi seufzt. „Wir hoffen, dass der neue Staudamm die Stromversorgung verbessert.“
Das Büro steht voller Luftpostpakete. Mühsam mussten die Autobauer die Einzelteile bei Produzenten in aller Welt bestellen. Nur der Alu-Rahmen, die Sitze und die Glasfaserverkleidung konnten in Uganda selbst hergestellt werden. Lenkrad, Motor, Schaltkreise – all das sei eingeflogen worden, erklärt Musasizi. „Das war bislang die größte Herausforderung.“ Deswegen habe die Verwirklichung des Projekts auch einige Jahre gedauert.
Die Idee, ein eigenes E-Auto zu bauen, kam den ugandischen Ingenieuren vor drei Jahren: Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Autohersteller General Motors hatten Ingenieursstudenten zu einem Auto-Design-Gipfel in die USA geladen. Die Makerere-Universität schickte das einzige afrikanische Team, das aber umso begeisterter reagierte und Pläne für ein ugandisches E-Auto schmiedete. 2009 versprach Präsident Yoweri Museveni ihnen umgerechnet rund 120.000 Euro, um die Idee zu verwirklichen. Er will das landwirtschaftlich geprägte Uganda zu einem Land mit einer breiten Mittelschicht entwickeln. Da kommt ihm das E-Auto gerade recht.
„Die steigende Nachfrage spornt uns an“, versichert Musasizi. Doch die Benzinpreise steigen, nicht zuletzt seit der Libyen-Krise. Bislang waren die meisten nach Uganda importierten Fahrzeuge japanische Gebrauchtwagen. Weil aber die Nuklearkatastrophe die dortige Autoproduktion beeinträchtigt, steigen die Preise für solche Wagen. „Wir müssen es schaffen, eine billige und umweltfreundliche Alternative zu fertigen“, betont Musasizi. „Dann werden wir Afrikaner in Zukunft gerne mit unseren eigenen Autos fahren.“
Vorbild China
Vom Campus-Hügel überblickt man das Stadtzentrum, das wie üblich von einer dicken Dunstschicht bedeckt ist: Smog von Autoabgasen – ein großes Problem in afrikanischen Hauptstädten. „Auch wir in Afrika müssen uns dringend etwas einfallen lassen, um die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen“, bekräftigt Musasizi. Auch darum sieht er Chancen, das Auto ab 2016 in Serie produzieren zu können: „Wir nehmen uns ein Beispiel an den Chinesen, die mittlerweile doch auch alles bauen, was einst nur in Industrieländern wie Deutschland hergestellt wurde“, sagt er.
Ob es nicht zu früh ist, von einer Massenproduktion in Uganda zu träumen? Der Projektleiter schmunzelt: „Ohne den Traum vom Fliegen hätte nie jemand ein Flugzeug gebaut.“
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