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WOLF BIERMANN, DIE LINKSPARTEI UND DER ELENDE REST EINER GANZ ANDEREN DEUTSCHEN TRADITIONZonen-Siegfrieds große Stunde

DENIZ YÜCEL

Wenn der Auftritt von Wolf „Drachentöter“ Biermann etwas gezeigt hat, dann das: Dem deutschen Konservatismus samt angeschlossenem Feuilleton geht es nicht gut. Die Macht der Merkel-CDU ist zwar unangefochten, aber zum Preis, dass man nicht mehr weiß, was das eigentlich ist: konservativ. Es musste erst der Zonen-Siegfried ans Rednerpult treten, um an einen Wert wie den Antikommunismus zu erinnern.

Im Tonfall des Endlich-sagt’s-mal-einer, mit dem der Internetmob einen ressentimentgeladenen Wirrkopf nach dem anderen auf Platz eins der Amazon-Charts trägt – zuletzt Udo Ulfkottes Verschwörungsfantasie „Gekaufte Journalisten“ – diesen Tonfall also stimmt nun das konservative Feuilleton an: „Nie gehörte Worte im deutschen Parlament“, raunt Uwe Schmitt in der Welt, „auf den preußischen Ikarus ist Verlass“, jubelt Jasper von Altenbockum in der FAZ, wo zudem Volker Zastrow Bundestagspräsident Norbert Lammert dafür lobt, so „pfiffig“ gewesen zu sein, Biermann einzuladen. Bemerkenswert für Leute, die sonst jedes T-Shirt mit politischer Aufschrift als des „Hohen Hauses“ unwürdig befinden.

Zum Blödelbarden Biermann, diesem „nach unten pickenden eitlen Gockel“, hat Heiko Werning in dieser Ausgabe schon alles Nötige gesagt. Doch wenn man den 25. Jahrestag des Mauerfalls unbedingt zum Anlass nehmen will, um über die historische Rolle der Linkspartei zu reden, dann müsste man ihre zivilisatorische Leistung nach 1989 würdigen. Sie hat erheblich dazu beigetragen, dass das ostzonale Jammertum nur zum geringeren Teil seinen politischen Ausdruck in der NPD gefunden hat (oder in der AfD findet). Sie hat geholfen, einen Teil der Hinterlassenschaft der SED beiseitezuräumen.

Denn die DDR war der schlechtere, weil deutschere Staat. Wo im Westen kapitalistisches Konsummodell, amerikanische Popkultur, Urlaubsreisen ins Ausland und Einwanderung aus dem Ausland dafür sorgten, dass das Land undeutscher und damit zivilisierter wurde, lebten in der DDR viele furchtbaren deutschen Traditionen in stärkerer Weise fort – obwohl ihr Gründungspersonal aus Leuten bestand, die die Konzentrationslager oder die „Säuberungen“ im sowjetischen Exil überlebt hatten. Als dieser autoritäre Staat, der das Ressentiment gefördert und zugleich unter Kontrolle gehalten hatte, zusammenbrach und bald darauf die Erfahrung des revolutionären Aufbruchs vom Herbst 1989 von Ernüchterung und wirklicher oder gefühlter Deklassierung verdrängt wurde, hätte diese Melange ohne die PDS zu noch barbarischen Zuständen führen können, als es so schon, von Hoyerswerda bis zur NSU, der Fall war.

Als Folge steht die Partei in Thüringen davor, in Gestalt eines braven Gewerkschafters aus Osterholz-Scharmbeck erstmals einen Ministerpräsidenten zu stellen, was Biermanns Auftritt einen Bezug zur Gegenwart verleiht. Dessen Übertragung in Tagespolitik war die Demonstration vom 9. November, als CDU-und AfD-Anhänger mit einigen Neonazis durch Erfurt liefen – der elende Rest einer ganz anderen deutschen Tradition.

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Besser: Merkel sagt, dass sie diesen Plunder nicht braucht.

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