piwik no script img

Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Vor diesen Bildern nehme ich unwillkürlich Position an. Ich stelle die Beine gerade und hebe Fußsohle und Rist an. Dass ich hier spreiz- oder plattfüßig stehe, das möchte ich nun unbedingt vermeiden. Zeigen doch die Aufnahmen genau das: deformierte Fußskelette und Füße, krumme Beine, aufgrund eines Senksfußes etc. Vermeiden lässt sich solche Ungemach freilich durch den Kauf der richtigen Angulus VarusSchuhe.

Die orthopädisch korrekten Schuhe wurden in der Zeit, als die Aufnahmen entstanden, auf Schuhleisten der Firma Fagus hergestellt. Und so kommt es auch, dass Albert Renger-Patzsch (1897-1966), der Protagonist der Fotografie der Neuen Sachlichkeit schlechthin, die Bilder aufnahm. Die Serie von rund 40 Aufnahmen für den Orthopäden August Weinert sind eigentlich nur ein Nebenschauplatz der Ausstellung „Die Moderne im Blick – Alber Renger-Patzsch fotografiert das Fagus-Werk“ im Bauhaus-Archiv.

Gerade eben wurde der von Walter Gropius in Zusammenarbeit mit Adolf Meyer 1911 entworfene Gebäudekomplex zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Der Industriebau gilt als Schlüsselwerk der architektonischen Moderne – und genau so hat ihn auch Renger-Patzsch fotografiert. Durchaus auf Kosten einer realistischen Sicht der Dinge, die nicht ganz so modernistisch waren, wie seine Fotos es suggerieren. Genau deshalb aber und sehr verständlich fiel Gropius Wahl damals auf ihn.

Die 1928 entstandenen Industriefotografien sind überaus sehenswert, schon weil man etliche Foto-Ikonen der Weimarer Zeit entdeckt. Der wahre Fund sind aber die rund 50 freien Arbeiten von Renger-Patzsch, die der Fagus-Juniorchef privat gesammelt hat, und eben die Orthopädie-Aufnahmen, darunter die filmähnliche Fotosequenz eines Verkaufsgeprächs mit schicken 20er Jahre Girls.

■ bis 29. August, Die Moderne im Blick – Albert Renger-Patzsch fotografiert das Fagus-Werk, Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, Mi-Mo 10-17 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen