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Spötter der Kunstreligion

KRITIK Ein schmales Bändchen mit Texten des Kunstexperten und „Merkur“-Herausgebers Christian Demand ist ein probates Mittel gegen Einschüchterung durch Kunst und Kultur

Dieses Büchlein kommt einer Fibel zur Kritik gewisser Weltanschauungen gleich. Eine, die glaubt, mit Kultur ließe sich alles erklären und dass sie der Weltverbesserung schlechthin diene.

Christian Demand, Kunsthistoriker, Kulturphilosoph, Journalist, Musiker und in der Nachfolge Karl-Heinz Bohrers und Kurt Scheels seit einigen Jahren Herausgeber des Merkur, einer monatlichen Kulturzeitschrift für Essayistik, ist selbst Teil dieser Kulturwelt, er kennt sich profund aus und lässt sich doch nichts vormachen.

In elf Aufsätzen, inklusive Vorwort, die zu verschiedenen Anlässen und für diverse Medien verfasst worden waren, erklärt Christian Demand einem selbst nicht in der Art World verstrickten Publikum, welchen habituellen Mustern die Kunst- und Kulturwelt folgt.

Der Autor erweist sich als keineswegs giftender, aber spöttelnder Analyst der Kultur, vor allem der Behauptungen über sie. Dass Kulturelles und sogenannt Künstlerisches nachgerade religiösen Charakter haben – und, historisch gesehen, immer zugewiesen bekamen.

Überschriften wie „Die Wir-Maschine. Museum und Erbengemeinschaft“ oder „Demokratischer Kirmes und die Sehnsucht nach der Tiefe“ und „Projekt Weltrettung: Kunstpädagogik im Höhenrausch“ deuten an, dass da einer, der sich auskennt, nicht einschüchtern lässt vom Air des Guten, Wahren, Schönen, sondern genau guckt – und im Kulturellen öfter, als diesem guttäte, mehr Schein als Sein entdeckt.

Abgesehen hat er es vor allem auf Interpreten des Kulturellen, die in ihren Distinktionen kaum mehr wollen als schlaumeiern und klugscheißen. Ohne ein einziges Mal den französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu zu zitieren, an den man beim Thema kulturelles Kapital und klassenprägender Habitus ja kaum vorbeikommt, dekonstruiert der Autor die Sphäre der bildungsbürgerlichen Mächte.

Das ist prima lesbar, das ist sogar vergnüglich zu goutieren. Künstlerisches kann Spaß machen und sollte besser nicht Kunstreligion sein: Das ist offenbar das freundliche und sympathische Credo der Texte. JAN FEDDERSEN

■ Christian

Demand: „Die Invasion der Barbaren. Warum ist Kultur eigentlich immer bedroht“. Zu Klampen!, Springe 2014, 208 S.,18 Euro

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