unterm strich:
Der internationale Durchbruch gelang dem Taiwanesen Edward Yang erst mit seinem Film „Yi Yi“, für den er im Jahr 2000 in Cannes den Preis als bester Regisseur erhielt. Das Weltpublikum verliebte sich, ganz zu Recht, in dieses unspektakuläre, aber in seinen subtilen Verflechtungen fast schon altmeisterliche Dreistundenwerk. „Yi Yi“ erzählt von Liebe, Zurückweisung, Hoffnung und Enttäuschung, sprachloses Zentrum des Films, um das sich eine Familie versammelt, ist eine Großmutter, die im Koma liegt, unvergesslich ist aber auch der Enkel, der Fotos von Hinterköpfen macht, um den Leuten zeigen zu können, was sie selbst von sich nicht sehen. Eine andere Figur des Films erklärt, was das Großartige am Kino ist – das Leben sei für den Kinogänger dreimal so lang, weil er eben dreimal so viele Leben sieht.
Darin steckte fast schon das ganze Realismus-Programm Edward Yangs, der vor allem ein sehr genauer und sehr kritischer Beobachter der Entwicklungen in seiner sich ohne Rücksicht auf Verluste modernisierenden taiwanesischen Heimat gewesen ist. Yang hatte in Kalifornien ein Filmstudium begonnen, es aber bereits nach einem Semester geschmissen und danach einige Jahre als Computerdesigner gearbeitet. Die Begegnung mit Werner Herzogs „Aguirre“, erzählte Yang, habe ihm dann doch den Mut gemacht, sich als Regisseur zu versuchen. Anfangs arbeitete er eng mit Hou Hsiao-hsien, einem anderen Großen der taiwanesischen „Neuen Welle“, zusammen. Gemeinsam mit ihm schrieb er das Drehbuch zu „Taipei Story“ (1985), in dem Hou dann auch die Hauptrolle übernahm.
Yangs Filme sind in Stil und Tonlage nicht auf einen Nenner zu bringen. Dem Humanismus von „Yi Yi“ am nächsten steht sein Zeitpanorama „A Brighter Summer Day“ (1991), ein Film um eine Kindheit in den Fünfzigerjahren, der vielen als sein eigentliches Meisterwerk gilt. Tatsächlich konnte Yang aber auch ganz anders, nämlich in einer Serie von Satiren wie „A Confucian Confusion“ (1994) und „Mahjong“ (1996), in denen er ein bitteres Bild der Gegenwart seiner Heimat Taiwan zeichnete, die sich ohne Bedenken dem krassesten Materialismus überlässt. Im Jahr, in dem Yang mit „Yi Yi“ der Durchbruch gelang, wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die Vollendung eines weiteren Films war ihm nicht vergönnt, er ist am letzten Freitag im Alter von nur 59 Jahren gestorben.
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