: Das freie WLAN kommt1. Worum geht’s?
Die Frage ist nur, für wen und unter welchen Bedingungen. Ein Überblick über die Entwicklung nicht nur in Hamburg von KLAUS IRLER
Die Presse macht Druck. „Deutschland ist ein Entwicklungsland, was öffentlich zugängliches Internet angeht“, schreibt das Abendblatt und die Welt findet, Hamburg sei „längst kein Tor zur Welt mehr“.
Gefordert wird, dass in den Städten Hotspots und Zugangspunkte eingerichtet werden sollen. Gemeint sind Geräte, die in Ampeln, in öffentlichen Gebäuden, an Bus- und U-Bahnhaltestellen oder in Telefonzellen installiert werden. Smartphones, Laptops und Tablets können eine Funkverbindung zu den Hotspots aufbauen, wenn sie sich in einem gewissen Umkreis des Hotspots befinden. Steht die Verbindung, ist das Surfen im Internet möglich. Dabei ist die Geschwindigkeit höher als es bei den Internetverbindungen, die Mobiltelefone oder Tablets über den Mobilfunkstandard UMTS aufbauen können.
Bereits jetzt gibt es viele tausende Hotspots in Deutschland. Bislang gibt es sie allerdings nur punktuell, und nicht flächendeckend, außerdem ist ihre Nutzung entweder kostenpflichtig oder zeitlich begrenzt. Ein solches flächendeckendes Funknetz ist keineswegs westlicher Standard, aber es gibt Städte und Länder, die mehr davon haben als Deutschland: Die Stadt New York beispielsweise hat beschlossen, rund 10.000 Telefonzellen zu WLAN-Hotspots umzubauen. In London hat die Firma O2 in den westlichen Innenstadtbezirken Kensington, Chelsea und Westminster ein WLAN-Netz aufgebaut. Und in Estland sind rund 99 Prozent des Landes mit WLAN-Hotspots abgedeckt.
2. Wie ist der Stand?
Hamburg will beim flächendeckenden Gratis-WLAN zum Vorreiter werden – nicht nur im Norden, sondern für ganz Deutschland. Die Stadt möchte dafür selbst kein Geld ausgeben, sondern lediglich unterstützen, was andere realisieren wollen – beispielsweise durch die Genehmigung, Hotspots an Ampeln oder Laternen anzubringen.
In Hamburg beschäftigt sich neben der Telekom und Kabel Deutschland das kleine Hamburger Unternehmen Willy-Tell damit, ein öffentliches WLAN aufbauen. Willy-Tell ist ein Familienunternehmen mit knapp 100 Mitarbeitern, das in der Hamburger Innenstadt innerhalb der nächsten fünf Jahre 7.000 Zugangspunkte einrichten möchte. Die Nutzung soll kostenfrei sein, aber passwortgeschützt: Wer das WLAN nutzen möchte, kann sich per SMS einen Code schicken lassen und bekommt damit für 24 Stunden freien Zugang. Willy-Tell verspricht sich von dem Angebot einen so großen Werbeeffekt, dass sich die Investitionen für das Unternehmen lohnen.
Neben Willy-Tell gibt es in Hamburg die bundesweit aktive Initiative Freifunk. Der geht es nicht um Geld oder Werbung, sondern um das idealistisch begründete Ziel, jedem Menschen einen kostenlosen Zugang zum Internet zu ermöglichen. Erreichen möchte die Initiative das durch vernetzte WLAN-Router von Privatpersonen. Derzeit hat das Hamburger Netz 800 bis 1.000 Zugangspunkte, in Bremen sind es 125, in Hannover 55 und in Kiel 170. Die Nutzung ist denkbar einfach: Wenn ein Gerät im Funkbereich eines Zugangspunkts ist, kann sich der User ohne Passwort und kostenlos einloggen.
Abgesehen davon gibt es überall verteilt im Land immer mal wieder Hotspots unterschiedlicher Anbieter. Die Telekom betreibt als nach eigenen Angaben größter Anbieter bundesweit 20.000 Hotspots im öffentlichen Raum, verlangt aber von Nicht-Kunden Gebühren – nur die Telekom-Hotspots in Hamburg können eine Stunde pro Tag kostenlos genutzt werden.
Darüber hinaus gibt es WLAN immer mal wieder in Cafés, Hotels und Bibliotheken. Nur flächendeckend ist die Verfügbarkeit bundesweit bisher nirgends. Mit einer Ausnahme: Pforzheim in Baden-Württemberg bietet seit einem Jahr Touristen und seinen rund 100.000 Einwohnern im gesamten Innenstadtgebiet einen kostenlosen Netzzugang.
3. Wo sind die Probleme?
Der Hauptgrund dafür, dass es in Deutschland nicht mehr öffentliches WLAN gibt, ist die Rechtslage. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Anbieter eines WLANs dafür haften, wenn über sein Netz Rechtsverstöße im Internet begangen werden. Gemeint sind damit vor allem illegale Downloads. Im Klartext heißt das: Loggt sich ein User im WLAN eins Cafés ein und lädt dort urheberrechtlich geschützte Musik oder Filme herunter, dann bekommt der Café-Betreiber eine Abmahnung. Der juristische Begriff dafür heißt „Störerhaftung“.
Die Störerhaftung bereitet allen Privatpersonen, die öffentliches WLAN zur Verfügung stellen, Bauchschmerzen. Ausgenommen von der Störerhaftung sind allerdings die Diensteanbieter wie die Telekom, Willy-Tell oder O2, die der Privatperson den Internet-Zugang ermöglichen: Für sie gilt das „Providerprivileg“.
Wirte und Hoteliers haben unterschiedliche Strategien, mit der Störerhaftung umzugehen. Manche Wirte bieten ein offenes WLAN an und nehmen mögliche Probleme einfach in Kauf. Andere kopieren die Personalausweise der Nutzer oder lassen sich Formulare unterschreiben, auf denen sich der Nutzer verpflichtet, sich an die Regeln zu halten. Häufig verzichten Wirte aber auch darauf, ein öffentliches WLAN zur Verfügung zu stellen. Für Hoteliers ist das schwierig: Ab 2015 muss ein 2-Sterne-Hotel Internet im öffentlichen Bereich anbieten und ein 3-Sterne-Haus Internet auf dem Zimmer.
Die Initiative Freifunk umgeht das Problem der Störerhaftung, indem sie den Datenverkehr zunächst zwischen den Routern der Privatpersonen und einem Provider in Schweden laufen lässt, der die Daten weiterschickt. Der Provider in Schweden genießt das Providerprivileg und der Datenverkehr dorthin kann durch den Einsatz eines VPN-Tunnels – eines virtuellen privaten Netzwerks – nicht mitgelesen werden.
Die Grünen und die Linke wollen die Störerhaftung abschaffen, die Bundesregierung aber will sie lediglich modifizieren. Der entsprechende Gesetzentwurf wird mit Spannung erwartet.
4. Wer verdient daran?
Öffentliche WLANs gibt es in zwei Varianten: kostenlos und kostenpflichtig. Bei kostenpflichtigen WLANs zahlt der User für eine meist zeitlich begrenzte Nutzung. Die kostenlosen WLANs gibt es häufig als Service-Leistung in Hotels, Cafés oder Bibliotheken.
Im Fall der Hamburger Firma Willy-Tell soll sich das kostenlose WLAN als Werbemaßnahme rechnen: Die Firma hofft, durch diesen Service bekannt zu werden. Wer surfen will, schickt eine SMS an Willy-Tell und bekommt dann einen kostenlosen und unverschlüsselten Zugang für 24 Stunden. Für den Hamburger Datenschützer Johannes Caspar und den Chaos Computer Club (CCC) ist diese Art des Kundenkontakts ein kritischer Punkt. Willy-Tell-Sprecherin Tanja Thielk versichert der taz, es würden „keine User-Profile erstellt und keine Telefonnummern verkauft“. Auch das Nutzen eines unverschlüsselten WLANs sehen die Datenschützer und der CCC kritisch.
Für die Anbieter von UMTS-Flatrates für Handys ist die Verbreitung kostenloser WLANs ein Problem: Warum sollte man sich eine Handy-Flatrate kaufen, wenn es über WLAN schneller und kostenlos geht? Werden für den Hamburger Markt Umsatzeinbußen erwartet, wenn es dort kostenloses WLAN gibt? Der Konzern Telefonica, zu dem die Marke O2 gehört, möchte dazu „keine Aussage treffen“. Die Telekom will die Auswirkungen auf das eigene Geschäft „beobachten“. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten befürchtet keine Auswirkungen auf die kommerziellen Anbieter, „weil die Angebote in aller Regel nicht unbegrenzt sind und nicht überall funktionieren“.
5. Wie steht’s mit der Sicherheit?
Wer kann mitlesen, wenn sich ein User über ein öffentliches WLAN mit dem Internet verbindet? Das ist die Frage, die sich bei jedem Gebrauch eines öffentlichen WLANs stellt und die allgemein nicht zu beantworten ist. Es kommt zunächst darauf an, ob die Daten zwischen Gerät und Hotspot verschlüsselt oder unverschlüsselt ausgetauscht werden. Laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) werden die Verbindungen „in den meisten Hotspots nicht verschlüsselt“ – was ein Mitlesen Dritter erleichtert.
Wenn eine Verschlüsselung vorliegt, ist wiederum die Frage, auf welchem Sicherheitsniveau diese geschieht. Weil sich diese Fragen nicht für jedes öffentliche WLAN ohne Weiteres beantworten lassen, rät das BSI: „Rufen Sie vertrauliche Daten über ein fremdes WLAN-Netz am besten nicht ab.“
Nicht gerne hören das zum Beispiel die Anbieter von Online-Banking, zu deren Geschäftsidee es gehört, dass die Kunden immer und überall Bankgeschäfte erledigen können sollen. Gibt es aus Sicht der Banken Sicherheitsbedenken, ein öffentliches WLAN für Online-Banking zu benutzen? Die Bank Ing-Diba antwortet der taz: „Nein, aus unserer Sicht ist es entscheidend, dass der Kunde dafür sorgt, dass sein von ihm benutztes Endgerät sicher ist.“ Gemeint ist damit unter anderem, dass das Endgerät mit einem Virenschutzprogramm ausgestattet sein sollte.
Auf die Frage, wie häufig beim Online-Banking über WLAN ein Schaden entsteht, weil Dritte die Daten mitgelesen haben, antwortet die Ing-Diba: „Keine Angaben möglich.“
Bei dem geplanten öffentlichen und kostenlosen WLAN des Unternehmens Willy-Tell ist die Verschlüsselung ein entscheidender Aspekt. Kostenlos soll das WLAN nämlich nur für unverschlüsselten Datenverkehr sein. Wer eine Verschlüsselung wünscht, muss bezahlen – oder Willy-Tell-Kunde werden.
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