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Stadt der Spekulanten und Makler

In Cold Coast City, dem australischen Surferparadies mit überdrehter Atmosphäre, einem Palazzo Versace und 51 Kilometer langem, weißem und pulverfeinem Sandstrand steigen die Immobilienpreise. Die Nachfrage ist deutlich größer als das Angebot

VON HARALD KOTHER

Die Skyline ist schon von weitem zu erkennen. Hochhäuser und Wolkenkratzer ragen in die Höhe – wie bei einer Finanzmetropole. Doch an der australischen Gold Coast findet man hinter den verspiegelten Fassaden kaum Büros. Die Riesen aus Stahl und Glas beherbergen fast ausschließlich Ferienwohnungen, Nachtclubs, Bars und Restaurants. Der Ort ist das beliebteste Urlaubsziel der Australier.

Gold Coast ist daher längst auch der Name einer 500.000-Einwohner-Stadt. Der Küstenabschnitt – rund eine Autostunde südlich der Metropole Brisbane gelegen – befindet sich regelrecht im Goldrausch. Robin, die Busfahrerin, sagt: „Die Immobilienpreise haben sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt!“ Das ist zwar mächtig übertrieben, spiegelt aber die Stimmung in Gold Coast City wider: Nach oben – das ist hier der einzig denkbare Weg. Jedes Jahr strömen mehr Urlauber hierher. Letztes Jahr waren es mehr als vier Millionen.

Natürlich sind es weniger die Neubauten aus Glas und Beton, die die Touristen anziehen, als vielmehr vor allem der 51 Kilometer lange Strand: Strahlend weiß und pulverfein zieht sich das breite Sandband schier endlos am offenen Pazifik entlang. Kite-Surfer toben sich aus, halten ihre Drachen in den Wind und lassen sich über die Wellenberge hinwegtragen. Und dazwischen ist nach wie vor mehr als genug Platz für all die Sonnenanbeter und Badenixen.

Hinter dem Paradiesstrand ragen allerdings Rohbauten in die Luft, Kräne manövrieren in mehreren hundert Metern Höhe. Vor allem Surfers Paradise, das Stadtzentrum von Gold Coast City, besteht in erster Linie aus Häuserschluchten. Das prestigeträchtigste Gebäude am Ort, der Q1-Wolkenkratzer, wurde erst vor wenigen Monaten fertig gestellt. Genau 322,5 Meter ragt es inklusive Antenne dem Himmel entgegen – und ist damit der höchste Wolkenkratzer südlich des Äquators. Auch dieser Turm aus Glas und Stahl beherbergt neben einer Besucherplattform ganz oben vor allem Appartements. Wer möchte und das nötige Kleingeld hat, kann sich im 72. Stock eine luxuriöse Ferienwohnung kaufen.

Fast an jeder Straßenecke stößt man auf ein Büro eines Immobilienmaklers – zwischen den üblichen Souvenirläden, Coffeeshops und Boutiquen für Bade- und Strandkleidung. Jenseits des luxuriösen Q1-Gebäudes beginnen die Preise für die einfachsten Ein-Zimmer-Appartements bei etwa 100.000 Euro. Nach oben scheint es keine Grenzen zu geben. Der Immobilienmakler Tal Kaye erzählt: „Neulich habe ich erst eine 700-Quadratmeter-Suite für 6 Millionen australische Dollar an den Mann gebracht.“ Das sind rund 3,5 Millionen Euro. Das Penthouse im Q1-Gebäude ist dagegen ein Schnäppchen: 3,6 Millionen australische Dollar oder rund 2,1 Millionen Euro. Die Gegend scheint jedenfalls der letzte Schrei unter den Reichen zu sein: In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 1.000 Luxusappartements im Wert von über 1 Million australischer Dollar verkauft.

Der Makler erklärt, warum es gerade hier solch einen Boom gibt: „Das Klima ist einzigartig, fast immer Sonnenschein, im Sommer liegen die Temperaturen bei 29 Grad und im Winter bei 22 Grad.“

Die Frage, ob es sich bei dem Boom möglicherweise auch um eine gewaltige Spekulationsblase handeln könne, lässt Tal nicht gelten und betont: „Wir kommen mit dem Bauen gar nicht hinterher. Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot. Ich selbst besitze sechs Appartements. Jedes davon vermiete ich für 250 australische Dollar die Woche. Das klappt völlig problemlos.“ Sofort wittert der Immobilienmakler ein Geschäft und schlägt gleich eine Besichtigung einiger Appartements vor. Dazu kommt es dann doch nicht, dafür überreicht er zum Abschied seine Visitenkarte. Die Rückseite ist auf Russisch.

In die überdrehte Atmosphäre von Gold Coast City passt auch das berühmteste Hotel des Ortes: der Palazzo Versace. Von der Kleidung der Angestellten über die Polstergarnituren bis hin zum Porzellan: Alles stammt aus der Hand des italienischen Mode- und Design-Imperiums. Selbst auf dem Zimmer ist alles Versace: Nicht nur die Möbel und die Kaffeetassen, sondern auch Seife und Düfte in den bereitstehenden Flakons. Dass das Fünf-Sterne-Haus zum noblen Club der Leading Hotels of the World gehört, versteht sich von selbst.

Und bei so viel Designer-Ware an einem Ort drängt sich natürlich die Frage auf, ob manche Gäste davon nicht gerne etwas mitgehen lassen. Eine Hotelangestellte aus Brandenburg, die für ein Jahr in Australien jobbt, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Im Restaurant haben wir das noch einigermaßen im Griff. Es fällt einfach zu sehr auf, wenn Teller und Besteck plötzlich weg sind. Aber auch aus den Zimmern verschwindet einiges. Vor allem die Sofakissen sind beliebt.“ Die junge Frau liefert damit auch die Erklärung, warum die Kissen auf den Sofas in der Lobby angebunden sind.

Doch nicht nur die fixierten Sofakissen, sondern auch die Bildergalerien in den Korridoren ziehen das Interesse auf sich. Zu sehen sind hier Claudia Schiffer, Heide Klum, Jon Bon Jovi und all die anderen Angehörigen des internationalen Jetsets, die für Versace Model gestanden haben. Hunderte Modefotos der vergangenen Versace-Kollektionen schmücken die langen Gänge.

Überhaupt gehören Stars und Sternchen zum Lebenselixier des Hauses. Carol Woods, die zuständige Marketing-Dame, scheint nur auf die Frage gewartet zu haben, welche Berühmtheiten im Palazzo schon abgestiegen sind. Carol präsentiert eine siebenseitige Namensliste. Darauf finden sich unter anderem Paris Hilton, Anthony Hopkins, Prinz Albert von Monaco, Rod Stewart sowie die Möchtegern-Promis der RTL-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“. Im Palazzo Versace residierten die Dschungelcamp-Teilnehmer, die aus der Sendung ausgeschieden waren.

Infos: www.queensland-europe.com

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