Nach der Arbeit: Abends zu Hause
Ich bin genervt, so genervt. Die Straße ist dunkel, ich hab Hunger und komme viel zu spät von der Arbeit. Ich will, dass jemand zu Hause für mich gekocht hat und mich ansonsten in Ruhe lässt und nichts fragt und nichts sagt. Mein Rücken tut weh, ich hasse Büroarbeit. Alle Menschen sollten höchstens halbtags arbeiten und dafür so viel Geld kriegen, dass es ihnen richtig gut geht. Ich laufe an meiner Haustür vorbei, gehe zum Späti und kaufe Fertigsuppen und Jägermeister. Der Laden ist viel zu hell und ein scheiß Radiosender läuft leise.
Der Verkäufer sagt: „Hallo, geht es dir gut?“ Und ich sage: „Ja, und dir?“ Vor dem Späti sitzen ein paar Männer auf Plastikstühlen. Zwischen ihnen liegt ein schmutzig grauer Hund, der vielleicht eigentlich schon tot ist. „Hey, bleib doch hier“, sagt einer von ihnen. Ich bleibe stehen. „Wieso?“, frage ich. „Wir langweilen uns. Wir könnten uns unterhalten. Ich glaube, du bist ne coole Frau mit nem guten Charakter.“ Guter Charakter? Er guckt auf meine Brüste. „Ja, so bin ich“, sage ich. „Super Charakter. 70 D. Aber alles meins. Tschüss.“ Zu Hause setze ich mich auf einen Sessel und starre an die Wand. Ich verstehe nicht, wie Leute Büroarbeit machen können. Wenn ich acht Stunden am Stück in einem Büro sitzen muss, drinne, bei künstlichem Licht und mit fieser öffentlicher Anstaltsluft und Kopierergeruch, dann wird meine Seele ganz welk. Alles wird grau oder weiß, DIN A4, mein Herz wird müde und meine Augen fallen zu und ich hab auf nichts mehr Lust.
Stefan sitzt schon im Bett, er hat gebadet und liest ein Buch, das ich zum Geburtstag bekommen habe. Das ist bei uns ständig so. Ich kaufe Bücher oder kriege sie geschenkt, er liest sie. Schön, wenn wenigstens einer was davon hat. Er deckt sich zu und macht das Licht neben dem Bett aus. „Wenn du nachher ins Bett kommst, kannst du mich noch leise ficken?“, fragt er. Mal gucken. MARGARETE STOKOWSKI
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