: Über Nacht die Frau verlassen
Warum Buddha die Askese der Familie vorzog, sagte die buddhistische Nonne Dhammananda in ihrem Vortrag zwar nicht. Aber sie erzählte von dessen Ehefrau, von der fast nie die Rede ist
VON PETRA SCHELLEN
Sie sieht aus wie eine Asketin, aber sie ist es nicht: Bhikkuni Dhammananda, buddhistische Nonne aus Thailand, war vor ihrer Ordination Philosophieprofessorin in Bangkok. Sie ist das Deklamieren gewöhnt, und sie kann umgehen mit einem Hamburger Publikum, das an mehreren westlich-akademischen Krankheiten leidet: an Besserwisserei und Perfektionismus – Untugenden, die ihr auch bei ihren Vortrag am Sonnabend im Hauptgebäude der hiesigen Universität entgegenschlugen. Doch die Nonne parierte solche Zwischenrufe elegant, ganz gemäß dem „engagierten Buddhismus“. Denn der war das avisierte Thema.
Doch wenn man gedacht hatte, dass sie hochakademische Definitionen der reinen Lehre verkünden würde, hatte man sich geirrt. „Das Thema ist doch nur ein Vorwand, damit wir alle uns hier treffen können“, sagte sie mit feinem Lächeln. Und begann, die Geschichte von Yasodhara, Buddhas Ehefrau, zu erzählen, von der in den religiösen Schriften kaum die Rede ist.
Dabei spielte Yasodhara eine wichtige Rolle in Buddhas Leben und offenbart eine interessante Schattenseite des Religionsstifters. Denn es ist schon merkwürdig, die Ehefrau am Morgen nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes zu verlassen, um sieben Jahre lang als Mönch durch Städte und Wälder zu ziehen. Bis zur Erleuchtung eben.
Dass er ja mal hätte Bescheid geben können, um seiner Frau die massive Kritik bei Hofe zu ersparen – sein Weggang galt der königlichen Familie als Indiz für Yasodharas Untauglichkeit – sagte Dhammananda zwar nicht. Aber sie widmete sich ausführlich dem allenfalls aus Bruchstücken verschiedener Texte zu rekonstruierenden Schicksal dieser Frau. Denn die trauerte zwar und begann ein gleichfalls asketisches Leben, so lange der Geliebte fort war. Aber sie bewahrte ihre Würde und sprang dem Buddha nach dessen Rückkehr nicht etwa juchzend entgegen, sondern wartete, bis er sie in ihrem Gemach aufsuchte. Bevor sie ebenfalls Nonne und somit seine Schülerin wurde, hatte sie da noch ein paar Fragen…
„Es fehlt an Rollenvorbildern für buddhistische Nonnen“, so Dhammananda. Ein Hinweis, der sehr bedeutsam ist, kämpfen die tibetischen buddhistischen Nonnen doch seit langem um das Recht auf volle Ordination. Anlass des aktuellen Nonnenkongresses zum Thema ist der Hamburg-Besuch des Dalai Lama. „Die Gesellschaft in meiner thailändischen Heimat ist sehr patriarchalisch organisiert. Deshalb ist es wichtig, geistliche Ansprechpartnerinnen für Frauen zu haben“, so Dhammananda. „Denn die Frauen dort können sich mit ihren Problemen an niemanden wenden – und mit den buddhistischen Mönchen dürfen sie ja nicht allein sein. Die Nonnen werden also ganz konkret gebraucht.“
Ein echtes Desiderat also, das die Nonne ganz nebenbei ansprach, ohne verbittert zu klingen. Im Gegenteil: Humorig und ein bisschen verschmitzt erzählte sie den teils im Mönchsgewand erschienenen Zuhörern, wie sie die thailändische Familien dazu bringt, ihre Kinder zu den buddhistischen Nonnen zu schicken. „Wir sagen den Eltern, dass wir den Kindern Englisch beibringen. Das tun wir natürlich auch, sonst verstießen wir ja gegen unser Gelübde. Aber wir lehren sie auch, ihrer Mutter im Haushalt zu helfen, den Müll zu trennen. Und wir lenken ihr Bewusstsein auf den Klimawandel.“ Das sei für sie engagierter Buddhismus: soziale Arbeit vor Ort. Ein Begriff, den übrigens der buddhistische Mönch Thich Nhat aus Vietnam prägte.
Dass Frauen – ganz gemäß dem auch im Westen tradierten Klischee – für solche lebensnahen sozialen Aufgaben besser geeignet seien, behauptete Dhammananda zwar nicht. Aber dass viele buddhistische Mönche Vorurteile gegenüber Nonnen hätten und dass ihre Mutter, ebenfalls Nonne, viel Kritik geerntet habe, weil sie sich konkreten Problemen widmete –, das gab sie ohne Weiteres zu. Nicht mit feministischem Elan, sondern mit gelassenem Ernst. Und mit einer Souveränität, die auch für die Domptage des Publikums reichte, das immer wieder lautstark die Dolmetscherin verbesserte. Dhammanandas Antwort war freundlich: „Wie gut, dass wir hier so viele Übersetzer haben!“
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