KONRAD FISCHER GALERIE & ROSA-LUXEMBURG-PLATZ: In der Gesellschaft von Rosa Luxemburg und Joseph Goebbels
Warum kommt jemand auf die Idee, sich das Geburtshaus von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels zu kaufen? Eine berechtigte Frage, würde es sich nicht um Gregor Schneider, den Gewinner des Goldenen Löwen der Venedigbiennale 2001, handeln. Dieser entkernte das Goebbels-Haus und ließ den Schutt im November nach Warschau bringen, sodass der Lkw mit dem brisanten Stoff vor der nationalen Kunstgalerie Zacheta selbst in Deutschland für Kontroversen sorgte. Nun ist er fast unbemerkt in Berlin auf dem Rosa-Luxemburg-Platz angekommen, einem Ort, der an die Marxistin erinnert. Wir erinnern uns: In Warschau aufgewachsen, nahm Rosa Luxemburg zunächst als führendes Mitglied der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königreichs Polen“ an deren erstem illegalen Kongress in der polnischen Hauptstadt teil. Von hier aus wanderte sie nach Deutschland aus, gründete die KPD mit und wurde 1919 ermordet im Landwehrkanal gefunden. Eine tragische Geschichte, die heute den Boulevard dazu bringt, die Hintergründe zu Schneiders Aktion „Unsubscribe“ zu ignorieren und nicht mit dem parallel gezeigten „Kinderzimmer“ bei Konrad Fischer zusammenzudenken. Denn in Zeiten rechter Montagsdemos, Angriffen auf Flüchtende und einem neuen Krieg im Osten sowie in Bezug auf Schneiders Oeuvre, das auf nachgebauten Originalräumen, deren Negativnutzung und Deutung basiert, würde man sich nur allzu schnell selbst vorführen. So sorgt Schneider wieder für die Sichtbarkeit einer verdrängenden Gesellschaft, die nicht mal Fragen zu Goebbels’ Kindheit aufwerfen mag. MJ
■ Bis 10. 1., Di.–Sa. 11–18, Lindenstr. 35 bzw. Rosa-Luxemburg-Platz
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