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JAN SCHLAUDRAFF, KÄMPFERTYPDer Andalusier-Schreck

Jan Schlaudraff

■ 28, begann seine Profikarriere bei Borussia Mönchengladbach. In Hannover hat er einen Vertrag bis 2012. Foto: dpa

Es war der Abend des Jan Schlaudraff. Nicht nur, weil er bei der Rückkehr von Hannover 96 auf die europäische Bühne am Donnerstag gegen den favorisierten FC Sevilla beide Tore schoss, sondern weil er schlicht überall war. Tief in der eigenen Hälfte holte er sich Bälle und schockte die Andalusier mit überfallartigen Angriffen, die er teils einleitete, teils eiskalt abschloss.

Vor einem Jahr noch hatte Trainer Mirko Slomka ihm geraten, sich einen neuen Verein zu suchen. Und Hannovers zu impulsiven Aufwallungen neigender Präsident Martin Kind hatte öffentlich verkündet, Schlaudraff werde nie wieder für Hannover 96 spielen. Das schien ein endgültiges Urteil zu sein. Schlaudraff war abgestempelt, als gescheiterter Profi, der sein Talent verschludert hatte.

Das war schon in der Zeit vor Hannover so, als Schlaudraff nach zwei guten Saisons bei Alemannia Aachen überraschend zum FC Bayern gewechselt war – und dort vor allem lernte, wie man den dicken Max macht. Bis heute haftet dem Pfarrerssohn das Stigma des Arroganzlings an, der sich auf seinen enormen technischen Fähigkeiten ausruht; lieber den Mitspieler laufen lässt, als selbst einen Schritt zu viel zu tun. Selbst in seinem eigenwilligen Laufstil mit aufwendiger Armarbeit wollten Beobachter Überheblichkeit erkannt haben. Publikumsliebling, so viel schien klar, wird so einer nie.

Fast schien es ins Bild zu passen, dass er den Rat von Trainer Slomka in den Wind schlug und stoisch sagte: „Ich will meinen Vertrag erfüllen.“ Womit keiner rechnete: Fast demütig fügte sich Schlaudraff, als er in die zweite Mannschaft strafversetzt wurde – und kämpfte sich wieder ans Profi-Team heran. Mittlerweile reißt er sein Team auch in puncto Einsatz mit. Dass er in entscheidenden Szenen den Unterschied machen kann, wusste man ja schon vorher.

Trainer Slomka hat sich von Schlaudraff überzeugen lassen. Am Donnerstag gönnte er seinem ausgepumpten Musterschüler nach 75 Minuten einen triumphalen Abgang. 43.000 erhoben sich von ihren Sitzen. Auf die Melodie der Italopop-Schnulze „Volare“ tönte es aus der Fankurve „Janschlaudraff – o-ho-ho-ho!“. JAN KAHLCKE

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