Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Eine immer wieder gern gesehene Rarität ist der 1967 für die BBC entstandene Fernsehfilm „Magical Mystery Tour“ von und mit den Beatles. Die waren nämlich nach ihren Spielfilm-Erfahrungen mit Richard Lester der festen Überzeugung, selbst noch deutlich bessere Filme produzieren zu können. Das Publikum war allerdings anderer Ansicht: Als der Film zu Weihnachten 1967 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, reagierten Zuschauer und Kritiker eher verstört und ungehalten. Dabei setzt der Film lediglich auf kongeniale Weise fort, was die vier Musiker mit ihrer Single „Penny Lane/Strawberry Fields Forever“ Anfang des Jahres begonnen hatten: den halluzinatorischen Blick auf die „idyllische“ britische Vergangenheit. Denn die „Magical Mystery Tour“ ist nichts anderes als eine ins Surreale lappende Kaffeefahrt ins Blaue, bei der die Beatles merkwürdige Abenteuer mit hirnlosen Militärs erleben und als Höhepunkt – in Pelzjacken, mit Tiermasken und psychedelisch-bunt bemalten Gitarren – „I am the Walrus“ spielen. Schon sehr seltsam, und eindeutig ein Produkt des Zeitgeistes.
Mit surrealen Szenen arbeitet auch der Regisseur Emanuele Crialese in seinem Auswandererdrama „Golden Door“: Wie so viele ihrer Landsleute überlegen auch der arme Sizilianer Salvatore (Vincenzo Amato) und seine Familie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Amerika ein neues Leben anzufangen, angelockt von – auch grafisch dargestellten – absurden Legenden und Fotos von riesigen Hühnern und überdimensionalem Gemüse. Ansonsten besitzt Crialese vor allem großes Gespür für den physischen Aspekt des Kinos: von Sonne und Arbeit gegerbte Gesichter, schmutzige Füße und die harsche, farblose Landschaft erzählen prägnant vom rückständigen Leben der sizilianischen Bauern. Doch Salvatore wagt den Sprung in die unverständliche Moderne und bekommt dabei Hilfe von der mysteriösen Engländerin Lucy (Charlotte Gainsbourg). Mit der individuellen Geschichte der Hauptprotagonisten verbindet Crialese die genaue Schilderung des Ablaufs einer Auswanderung und kehrt am Ende zu einer surrealen, aber treffenden Metapher für die Hoffnungen zurück, welche die Einwanderer auf das Land, wo Milch und Honig fließen, setzen: Die Protagonisten schwimmen in einem Ozean voller Milch.
Der Regisseur Sydney Pollack und der Star-Architekt Frank Gehry sind Freunde. Kritische Distanz zu seinem Gegenstand darf man in Pollacks Dokumentation „Sketches of Frank Gehry“ deshalb nicht erwarten. Einen unterhaltsamen Einblick in den Schaffensprozess des Künstlers aber schon: Ausgehend von ersten, meist recht wild ausschauenden Zeichnungen bastelt Gehry da beispielsweise mit einem Partner seines Büros an Architekturmodellen herum, oder er erklärt, wie ihn der Bildaufbau eines Gemäldes von Hieronymus Bosch zu seinen Bauten inspiriert. Jene hat Pollack dann derart attraktiv in Szene gesetzt, dass vor allem die ungeheure Bedeutung des ortspezifischen Lichts für die Formen und die verwendeten Materialien deutlich wird.
LARS PENNING
„Magical Mystery Tour“ (OF) 7. 8. im Arsenal
„Golden Door“ 2.–8. 8. im Cinema am Walther-Schreiber-Platz
„Sketches of Frank Gehry“ 2.–8. 8. im Babylon Mitte
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