HAMBURGER SZENE VON PETRA SCHELLEN: Die Baby-Demo
Eigentlich hätte ich es ahnen müssen. Dass das kein Zufall war, diese Ansammlung. Dass eine größere Gruppe Gleichgesinnter im öffentlichen Raum immer etwas zu bedeuten hat: einen Flashmob, eine Soli-Veranstaltung, eine Selbsthilfegruppe, was auch immer. Aber vielleicht bin ich zu sehr Rheinländerin für diese Gegend. Oder schlicht unsensibel. Jedenfalls fehlt mir für manche Situationen offenbar der nötige Ernst.
Nur so ist zu erklären, dass ich angesichts von neun Kinderwagen (samt Müttern) vorm Mittagstisch-Lokal den unseligen Satz: „Kann ich hier mal durch – oder ist das eine Demo?“ ausstieß. Dabei wollte ich eigentlich nur witzig sein, aber das kam ja sowas von schlecht an. „Wir sind Mütter! Was dagegen?“, keifte es zurück. Und ich hatte immer gedacht, Mütter seien stets engelgleich in Babys Nähe. Aber angesichts der Feindin musste wohl mal der Faustkeil her.
Versteht sich, dass ich darob nicht sonnig und draußen bei den Müttern, sondern im düsteren Innenraum speiste. Und vermutlich war es meine gerechte Strafe, dass dort eine Dreijährigen-Combo weilte, die gerade Stampfen übten. Kurz und gut: Das Essen war kein geruhsames, und zu klagen, wagte ich nicht.
Inzwischen hat das Lokal dicht gemacht. Da bin ich, mit meinem widernatürlichen Witzel- und Ruhebedürfnis, wahrscheinlich auch noch schuld.
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