piwik no script img

„Meine Tochter studiert“

JOHANNESBURG, SÜDAFRIKA Wendy Ragedi, 45, Beamtin

Hungern musste ich früher nicht. Aber viel Geld hatten wir auch nicht. Ich lebte mit meiner Familie in Rundhütten in einem kleinen Dorf namens Mamere. Etwa zwanzig Leute wohnten dort. Meine Mutter arbeitete als Haushaltshilfe bei Weißen in Johannesburg, meinen Vater hatte ich nie kennengelernt.

Meine Großeltern haben Mais angebaut, hielten Schafe und Ziegen. Es gab keinen Strom, nur Kerzenlicht und Paraffinlampen. Wasser holten wir aus dem Fluss. Zur nächsten Klinik gingen wir zwei Stunden zu Fuß, zur Schule auch. Manchmal ging ich barfuß. Oder meine Verwandten hatten alte Schuhe aus den weißen Haushalten mitgebracht.

Ich war 23 Jahre, als ich nach Johannesburg ging. Ich hatte Abitur, wollte mehr aus mir machen. Meine Mutter gab mir Geld für ein Diplom in Tourismus. Ich zog damals ins Township Alexandra in eine Wellblechhütte. Meine Tochter war damals ein Jahr alt – heute ist sie 22 und studiert.

Abendkurse an der Uni

Die Hütte in „Alex“ habe ich mit Steinen ummauert. Wir haben dort 18 Jahre gelebt. Ich wartete auf das von der Regierung versprochene Haus, doch es kam nicht. Um mein Kind zu ernähren, habe ich einfache Jobs gemacht, Putzen und Aushilfsjobs.

Mit harter Arbeit erhielt ich eine Stelle im Ministerium für Erziehung, im Personalbereich. Nach einiger Zeit stieg ich zur Dienstvorgesetzten auf. Als meine Tochter Magki volljährig wurde, habe ich ein kleines Häuschen in einer Neubausiedlung mit einem Bankkredit gekauft. Abends habe ich nach der Arbeit noch Kurse an der Uni belegt und dieses Jahr endlich mein Diplom in Personalmanagement erhalten. Wir haben alles Notwendige. Von meinem Gehalt muss ich das Haus abbezahlen.

PROTOKOLL: MARTINA SCHWIKOWSKI

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen