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LESERINNENBRIEFE

Abschied von Wowi

■ betr.: „Berlin ist jetzt in Müllerhand“, taz vom 12. 12. 14

Hat sich Super-Wowi bei den unzähligen Partys seiner Endlosschleifen-Abschiedstournee eigentlich auch von den 20 Prozent Hartz-IV-Empfängern Berlins verabschiedet? Denen hätte er mit seinem unverwüstlichen Dauergrinsen einmal erklären können, warum Zigmilliarden in einer Flughafenruine besser angelegt sind als in Bildung und Ausbildung.

MARTIN MAHADEVAN, Berlin

Wertvolle Bücher

■ betr.: „Bibliothekenreform: Intellektuelle Verarmung nach Plan“, taz vom 13. 12. 14

Wir sind erfreut und entsetzt zugleich. Erfreut sind wir über die schnörkellose und verständliche, auf den Punkt gebrachte Art der Darstellung von Nina Apin. Entsetzt und empört sind wir über diese „himmelschreiende intellektuelle Verarmung“ der Amerika-Gedenkbibliothek/ZLB, die durchgesetzt werden soll aus Ersparnisgründen. Will man uns in Berlin denn noch den letzten Rest unserer jahrzehntelang gewachsenen und beliebten Bibliothek rauben, um sie so weit zu degradieren, dass man nur noch EKZ-Einheitsware erhält? Will man den Berliner Buchhandel ruinieren? Schlimm genug, dass nach 25 Jahren Einheit noch kein gemeinsamer Standort für AGB und ZLB gefunden wurde, jetzt sollen sie auch noch auf das niedrigste Niveau reduziert werden. Und mit welchen Argumenten! Ein Buch, das zwei Jahre nicht ausgeliehen wurde, ist deshalb noch lange nicht wertlos und muss nicht geschreddert werden! Wir fordern eine öffentliche Debatte für das ungeheuerliche Vorhaben der geplanten Bibliotheksreform!

CLAUDIA ROOS, BERNT MÜLLER, Berlin

Sozial und wirtschaftlich

■ betr.: „Sozialarbeit kurz vor dem Kollaps“, taz vom 13. 12. 14

Die Quintessenz aus dem taz-Artikel von Manuela Heim läuft auf die Aussage hinaus: Schade, dass der Idealismus der „alten Führung“ der Nostitzstraße, die von „von einem profitorientierten Pfarrer rausgeschmissen“ wurde, auf der Strecke geblieben ist, aber immerhin gut, dass jetzt endlich eine längst überfällige Professionalisierung stattgefunden hat. Dass diese Aussage nicht zutreffen muss, dafür steht das Wohnprojekt Nostitzstraße bei genauer Betrachtung seit seiner Gründung Ende 1997/Anfang 1998 und auch weiterhin: Das Wohnprojekt mit seiner „Konzeption der Beheimatung“ hat Idealismus und am Menschen orientierte Sozialarbeit eng verknüpft mit wirtschaftlich selbstständiger erfolgreicher Projektarbeit und beides in die Tat umgesetzt und realisiert. So war es im Übrigen auch bei Gründung des Wohnprojekts vereinbart worden, um die Obdachlosenarbeit als weiteren Teil des „Offenen Konzepts“ der Evangelischen Kirchengemeinde Heilig-Kreuz-Passion (HKP) aufzunehmen. Manuela Heim vergisst in ihrem Artikel, auf folgende Aspekte hinzuweisen:

1. Die Mehrzahl der vom Beheimatungsprojekt (von ehemals Arbeitslosen für ehemals Obdachlose) seit Langem Festangestellten ist weiterhin dafür, dass die „alte Führung“ endlich zurückkehrt und das sowohl menschlich als auch wirtschaftlich erfolgreiche Wohnprojekt mit seinem überregional anerkannten Konzept der Beheimatung weiterführt. Seit über einem Jahr aber dauern arbeitsgerichtliche Prozesse gegen Kündigungen, Abmahnungen etc., die einer erfolgreichen Weiterführung derzeit im Wege stehen.

2. Das Beheimatungsprojekt hat über mehr als 15 Jahre vorbildlich bewiesen, dass es durchaus möglich ist, Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit parallel zu praktizieren, und dass es nicht unmöglich ist, den zunehmenden Spaltungstendenzen in der Gesellschaft praktisch zu begegnen. So wurde im Jahr 2008 der Gemeinde HKP für „ihr“ Wohnprojekt/„ihre“ Obdachlosenarbeit der Paul-Singer-Preis verliehen.

3. Leitung und Gemeindekirchenrat machen – wohl der Logik der Ökonomisierung folgend und somit ihren eigenen sozialen Anspruch relativierend – den eher tragischen Schritt, auch das Wohnprojekt Nostitzstraße zunehmend als reinen (sozialen) Wirtschaftsbetrieb zu behandeln. Dabei werden die wirklichen „Leistungen“ des Wohnprojekts (als gut funktionierendem Teil) auch für die Gesamtgemeinde außer Acht gelassen: der Imagegewinn im ideellen Bereich wegen des sozialen Charakters des Wohnprojekts (unter anderem auch ca. 950.000 Euro EU-Fördergelder für die energetische Sanierung der Nostitzstraße) und der Erfolg im wirtschaftlichen Bereich (selbstständiges Wirtschaften mit jährlichem Haushaltsplan, Rücklagenbildung, Überschüssen, Leitung und Mitfinanzierung der Gitschiner 15, Übernahme von umfangreichen Arbeiten für andere Gemeindebereiche).

4. Man kann der in der Überschrift geäußerten Befürchtung zustimmen, dass bei Beibehaltung der seit Mitte der 90er Jahre fortschreitenden „Ökonomisierung“ auch des sozialen Bereichs die Aussichten düster sind.

DIETRICH FREITAG, Berlin

Publikumsbeschimpfung

■ betr.: „Auf in die Vertikale“, taz vom 23. 12. 14

Helmut Höge liefert eine nette Beschreibung, wie sich die taz von der Horizontalen in die Vertikale orientierte. Daraus spricht kaum verhohlene Kritik. Doch trifft die nicht nur das eigene Nest, sondern auch mich als Leser. Oder wie soll ich das verstehen? Muss ich mich dafür schämen, dass ich zur Generation der „weichen“ Ideologien gehöre? Höge zitiert langatmig Baudrillards Ausführungen zu diesem Thema, ohne sie zu hinterfragen. Dabei ist dieser Philosoph alles andere als unumstritten. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt. Vielleicht hätte auch ein Nietzsche sich lieber mit Ökologie, wäre die damals schon Thema gewesen, als zum Beispiel mit Religionen beschäftigt. Marx, Engels und Freud würden wahrscheinlich heute auch etwas anderes machen, und die Situationisten haben sich selbst aufgelöst. WILLI HOFMANN, Berlin

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