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Das Experiment am eigenen Körper

HAUSBESUCH Manche der Typen im Fitnessstudio glauben ihm nicht, dass er so aussieht, ohne sich was einzuwerfen. Aber sein Doping sind Haferkekse, mehr nicht. Bodybuilding hat viel mit Mathematik zu tun, sagt Anastasios Fallias

VON LENA MÜSSIGMANN (TEXT) UND ROLF SCHULTES (FOTOS)

Ehingen an der Donau. Eine kleine Stadt südlich von Ulm mit mindestens drei Kirchtürmen und Leben auf dem Marktplatz. Zu Besuch bei Anastasios Fallias (24).

Draußen: Die Hauptstraße: verkehrsberuhigt, Kopfsteinpflaster, Parkverbot. Ein kleines Eckhaus, braun angestrichen, mit Änderungsschneiderei im Erdgeschoss.

Drin: Durch einen dunklen Flur, die schmale Treppe hoch in eine enge Wohnung. Anastasios („Alle nennen mich Taso“) wohnt im ehemaligen Gästezimmer seiner Großeltern. Seine Mutter und seine zwei jüngeren Geschwister wohnen einen Stock höher, der große Bruder ist schon ausgezogen. Als Taso nach dem Bachelor-Abschluss aus Mannheim zurückgekommen ist, war nur noch bei den Großeltern Platz. Auf einem Schuhabstreifer unter seiner Zimmertür steht „Shisha-Gurus Red Room VIPs only“. Mit seinen Brüdern hat er in diesem Raum früher oft geraucht, – „wir sind so alt geworden“. Die Schlafcouch ist mit einer Decke im Leolook abgedeckt. Der Schreibtisch aufgeräumt, an der langen Wand ein Spiegelschrank. („Für die Selbstkontrolle, das Licht ist hier gut, wenn es von der Seite kommt.“) Ein Holzkreuz mit Jesus hängt an der Wand. („Mein Opa hat schon oft für mich gebetet, dass mir ein Heiliger bei meinen Wettkämpfen Kraft gibt. Ich bin weniger gläubig. Ich bin Wissenschaftler.“)

Was macht er? Taso studiert VWL, strebt seinen Master an der Uni in Ulm an. („Ich würde gerne beim Bundeskartellamt arbeiten. Als Wettbewerbshüter.“) Und er macht Sport. Natural Body Building. 2014 ist er auf seine ersten Wettkämpfe gefahren. Und hat abgeräumt: Deutscher Meister „Men Medium“ der Bodybuilding-Amateure, Platz vier in der internationalen Klasse bei den Deutschen Meisterschaften der Natural Bodybuilder, österreichischer Meister bis 75 Kilo. Die Trophäen und Pokale stehen im Wohnzimmer. („Meine Großeltern haben die extra drapiert, damit jeder sie sieht.“). Taso schaut in T-Shirt und Strickjacke smart aus, nicht so breit wie auf den Fotos seiner Wettkämpfe im Netz, nicht aufgepumpt, nicht eingeölt. Sein Wettkampfgewicht ist 70 Kilo, er ist 1,69 groß. Sein Gesicht wirkt jung, ein bisschen spitzbübisch. Früher hat Taso Basketball gespielt. („Da war ich noch krasser drauf als beim Bodybuilding.“) Er hat es aber nicht auf ein Sportgymnasium geschafft, hat sich oft verletzt, das letzte Mal im Auslandssemester in Ankara. („Fußgelenk gebrochen. Das war ein Trauma, seither fass ich keinen Basketball mehr an.“) Ein Freund hat ihn aufs Bodybuilding gebracht. „Wenn ich was mach, dann mach ich’s zu 100 Prozent.“

Der Alltag: Acht Stunden Schlaf sind im Konzept des Bodybuilders Taso ein Muss. („Ich bleib zu Hause, wenn andere weggehen.“) Gleich nach dem Aufwachen geht er ins Fitnessstudio trainieren. Seine Ernährung, Frühstück, Mittagessen, alles folgt einem genauen Plan, festgehalten in einer Exceltabelle. „Brennnesseltee, Thunfisch, mehr Eiklar“, schreibt er sich in der sogenannten Entladephase in der Vorbereitung auf einen Wettkampf vor. An solchen Tagen isst er nur 30 Gramm Kohlenhydrate. Früher hat Taso gern gegessen, erzählt er, Pfannkuchen zum Frühstück verdrückt, Kuchen, „irgendeinen Scheiß“, so nennt er das heute. Jetzt verzichtet er auf alles. („Das spricht umso mehr für meinen Ehrgeiz und Willen.“) Bevor er zur Uni geht, kocht er etwas vor, um es mitzunehmen, alles ohne Zucker. („An der Uni ist es schwierig, was zu finden, was clean ist.“) Seine Oma nimmt es persönlich, dass er nicht auf sie hört, wenn sie sagt, er solle mehr Mehl oder mehr Zucker für seine Haferflockenkekse nehmen. Oft geht Taso auch abends noch mal ins Fitnessstudio. („Morgens Cardio, abends Krafttraining.“) In seinem Zimmer stehen weiße Plastikbehälter, so groß wie Kochtöpfe. Nahrungsergänzungsmittel. Pro Tag schluckt er fünf bis sechs Kapseln: zum Beispiel Zink, Magnesium, Omega-3-Fettsäure.

Was denkt er? Das Natural Bodybuilding ist für Taso ein Experiment am eigenen Körper. „Dieser Sport hat viel mit Mathematik zu tun, so wie ich ihn praktiziere.“ Wie viele Mandeln darf er am Abend essen, wenn der Ernährungsplan noch 20 Gramm Kohlenhydrate für diesen Tag zulässt? („Bei Wettbewerben merkt man: Es gibt einen signifikant hohen Anteil an Abiturienten, Akademikern, viele mit Doktortitel.“) Taso will wissen, ob fettfreier Muskelaufbau möglich ist. („Theoretisch nein, aber unter bestimmten Voraussetzungen doch.“) Natural Body Building heißt: ohne Doping. Manche der Typen im Fitnessstudio glauben ihm nicht, dass er so aussieht, ohne sich was einzuwerfen. Taso sagt: „Die wissen halt nicht, was man alles erreichen kann, wenn man hart arbeitet.“ Sein Ziel: Immer besser zu sein, als er gestern war.

Schönheit: „Wenn man an den Beinen die einzelnen Muskeln sieht, find ich das schön.“ Als er angefangen hat, Bilder von sich auf Facebook zu posten, wurde er erst mal bewundert. „Aber dann kamen die Hater. Ich dachte mir: Scheiße, was wird über mich geredet?“ Er gewinnt erste Wettbewerbe. Das macht ihn stark. „Inzwischen ist mir egal, was andere sagen.“

Die Biografie: Anastasios Fallias ist am 18. März 1990 in Ulm geboren und in Ehingen aufgewachsen. Zweisprachig. Seine Mutter ist auch schon in Deutschland geboren. Seine Großeltern allerdings schauen bis heute noch lieber griechisches als deutsches Fernsehen. („Ich bin schon Grieche. Wenn ich griechische Musik höre, kann ich mich mehr damit identifizieren.“) Und je länger er studiere, desto deutscher werde er („Ehrgeiz, Strukturiertheit“). Im nächsten Jahr will er sich einbürgern lassen. („Wegen der Wettkämpfe, ich darf nicht in nationalen Klassen starten.“)

Das letzte Date: „Das ist schon lange her. Ich hab keine Zeit für Frauen.“ Vor einem Jahr hat er sich von seiner Freundin getrennt und seither kein Date gehabt. Ihm gefallen durchtrainierte Frauen, auf Äußerlichkeiten achte er aber nicht in erster Linie. („Sie muss was im Köpfchen haben, mal ein bisschen philosophieren.“)

Einsam? Taso wünscht sich ein Haus, würde gerne heiraten und eine Familie gründen. („Ein Junge, ein Mädchen. Aber wann? Als meine Mutter 24 war, hatte sie schon zwei Kinder.“) Alles, was er in den vergangenen Monaten in seinem Sport erreicht hat, hätte er nicht machen können, wenn er eine Freundin gehabt hätte, glaubt er.

Wie finden Sie Merkel? „Sie hat nicht viel falsch gemacht. Ich schiebe keinen Hate auf Merkel, nicht wie die Griechen. Die griechische Politik wollte einfach nicht wahrhaben, dass sie selber Schuld an der Krise ist.“

Wann sind Sie glücklich? „Ich habe Glücksgefühle, wenn ich ins Training gehe. Ich kann mir ein Leben ohne Bodybuilding nicht vorstellen. Wenn ich es nicht mehr machen könnte, müsste ich was anderes finden, um es zu kompensieren. Vielleicht eine Freundin.“

Sie möchten auch einmal besucht werden? Schreiben Sie eine Mail an hausbesuch@taz.de

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