: Es dampft
NIKOTIN Die E-Zigarette ist in aller Munde. Aber was macht sie da? Das Wissen über die Auswirkungen des Dampfens ist noch recht vernebelt
VON DORIS AKRAP
Der Dampf wird immer dichter. Allein in Deutschland wurden laut einer Umfrage des Verbands des deutschen E-Zigarettenhandels im vergangenen Jahr drei Millionen Menschen zu Dampfern. 2010 waren es gerade mal 300.000. Mit E-Zigaretten wurde 2014 rund 200 Millionen Euro Umsatz erzielt. Im Jahr 2010 waren es gerade mal fünf Millionen Euro.
Subjektive Erfahrungsberichte von Rauchern, die auf E-Zigarette umgestiegen sind, sind in der Regel positiv, jedenfalls was Begleiterscheinungen des Rauchens betrifft: Husten, Kurzatmigkeit, Angst vor Lungenkrebs und der Geruch von kaltem Rauch verschwinden. Ob aber die E-Zigarette wirklich die gesündere Alternative zum herkömmlichen Nikotingenuss durch Tabakzigaretten ist und ob sie eine effektive Methode ist, sich das Rauchen abzugewöhnen, lässt sich bei allen Warnungen und Gerüchten nicht definitiv beantworten. Dafür ist der Zeitraum von wenigen Jahren, in denen es E-Zigaretten überhaupt gibt, viel zu kurz.
Die Einschätzungen von Wissenschaftlern und Experten gehen aber alle in eine Richtung: Das Gesundheitsrisiko beim Verdampfen nikotinhaltiger Flüssigkeit ist geringer als beim Verbrennen von Tabakzigaretten. Die Toxikologie der Johns Hopkins Universität in Baltimore schätzt, dass die Risiken für Dampfer etwa zehnmal niedriger sind als für Raucher. Sogar die britische Anti-Raucher-Organisation Action on Smoking and Health adelt die E-Zigarette als schadensminimierendes Produkt. Die Grundlage für diese Bewertungen ist, dass der Körper beim Rauchen einer Zigarette 4.000 Chemikalien aufnimmt, beim Dampfen einer E-Zigarette nur einige Dutzend. In der Zigarette sind 60 als krebserregend eingestufte Stoffe enthalten. In der Flüssigkeit des Liquids der E-Zigarette hingegen keine. Dort wurden zwar bereits Gifte wie Nitrosamine, Diethylenglykol, Formaldehyd und Schwermetalle festgestellt. Dabei handelte es sich aber in der Regel um Billigprodukte aus kleineren, vor allem chinesischen Unternehmen.
Welche Stoffe beim Verdampfen zusätzlich entstehen, ist nicht ausreichend erforscht. Was sich für die Dampfer schon nicht eindeutig klären lässt, ist für Passivdampfer noch viel schwieriger. Untersuchungen wie beispielsweise vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig stellen lediglich fest, dass die „in die Umgebungsluft freigesetzte Menge an vielen organischen Verbindungen geringer ist als die aus herkömmlichem Zigarettenqualm“. Befürchtungen und Warnungen, die süßliche Liquidaromen von Kiwi bis Tiramisu könnten Kinder und Jugendliche leichter zum Nikotin verführen, lassen sich durch keinerlei aussagekräftige Untersuchungen bestätigen.
Ein wenig anders verhält es sich mit der Frage der Rauchentwöhnung. Die aktuellste Studie dazu kommt von der als äußerst streng geltenden Cochrane Collaboration, einem unabhängigen Netzwerk internationaler Ärzte und Wissenschaftler. Neun Prozent der 662 Probanden stellten den Tabakkonsum für mindestens ein halbes Jahr ein, 36 Prozent reduzierten ihn um mindestens die Hälfte. Mit Nikotinpflaster wurden keine besseren Ergebnisse erzielt. In einer neuseeländischen Studie von 2013 schafften es 5,8 Prozent Raucher, per Nikotinpflaster von ihrem Laster zu lassen.
Der Boom der E-Zigarette hat auch mit der immer besser werdenden Qualität der Geräte zu tun. Die großen Tabakkonzerne entwickeln längst eigene E-Zigaretten. Seit Mitte 2012 kommen nach einer Studie der University of California monatlich zehn neue E-Zigarettenmarken auf den Markt. Philip Morris, der weltweit größte Tabakkonzern, bietet bisher keine eigene E-Zigarette an. Der Europa-Sprecher des Konzerns forderte sogar Tabaksteuer auf die E-Zigarette. Philip Morris setzt auf eine ganz neue Technik: In Japan und Italien lässt der Konzern seit Ende letzten Jahres ein Gerät namens iQOS testen. In das Gerät wird keine Flüssigkeit gefüllt und erhitzt, sondern spezielle Zigaretten gesteckt, die Marlboro HeatSticks, die aus pulverisiertem Tabak bestehen, der durch iQOS verdampft werden soll. Die Frage, ob die Zigarette überlebt, wenn auch in pulverisierter Form, ist also weiter offen.
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