Gefrorenes, Erbrochenes: Interimskühlschrank
Ständig stehen Leute in der Wohnung und holen Sachen ab. Zum Monatsende lösen wir die an inventarischen Altlasten nicht arme WG auf – und nun verschachert mein Mitbewohner vom Dosenöffner bis zur Eieruhr alles bei eBay, was nicht bei drei in den Umzugskisten ist. Es klingelt: „Ich komm wegen der Stehlampe.“ Klar, kommense durch. Irgendwo im Wohnzimmer finden wir das Ding und geben es dem Unbekannten mit auf den Weg.
„Und was machen wir mit den Sachen von Gockel?“, überlegen wir. Gockel hat mal hier gewohnt und – wie andere auch – einige Andenken dagelassen. „Alles weg“, sage ich. „Quatsch, die Schieß-doch-Nietenjacke nicht!“, sagt die Mitbewohnerin. Und weiter: „By the way, wo ist eigentlich der Kühlschrank?“ – „Schon abgeholt“, sagt der eBay-Seller. Problem: Wir sollten noch eine Woche dort wohnen – und ab und an auch was kühlen. „Geht gar nicht“, sagt die Mitbewohnerin, „ich hab zwei Flaschen Wodka fürs Wochenende! Die müssen kalt sein!“ Ein kurz einberufenes Plenum klärt die Lage: Es muss noch ein Interimskühlschrank her. Schnell ins Netz und – zack – einen ersteigert bei einer Adresse 1.000 Meter weiter. „Wir können ihn direkt abholen“, freut sich der fleißige Ersteigerer.
Als wir das Ding aus der Wohnung der freundlichen Kühlschrank-Dealerin ziehen, sind wir noch guter Dinge. Nach zweihundert Metern sagt der Mitbewohner: „Komm, wir fahren ’ne Station mit der Bahn.“ Fast stürzen wir in den Schacht. Ein bisschen absurd, in eine überfüllte Bahn mit dem Kühlschrank. Die Leute amüsiert’s. Als wir an unserer Station aussteigen, hören wir ein Würgen am Bahnsteig, dann ein Schwall. Von einem Herrn neben uns kommend ergießt sich Suppe. Noch einmal. Und noch einmal. „Weg hier“, sagt der Mitbewohner, „bevor wir in dem Brei ausrutschen.“ Minuten später steht unser Kühlschrank in der WG. Gockel taucht nicht mehr auf. JENS UTHOFF
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