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„Hier bin ich wieder zu Hause“

BASKETBALL Niels Giffey ist zurück in Deutschland, zurück bei Alba Berlin. Ein Gespräch über die Stärken seines Vereins, die Erwartungen an seine Person und die relative Unwichtigkeit von dicken Schecks

Niels Giffey

■ Niels Giffey, 23, ist gebürtiger Berliner. Der 2-Meter-Mann hat das Basketballspielen beim Basketball-Club Berlin und den Marzahner Basket Bären erlernt.

■ In seiner Jugend spielte er bereits einige Jahre im Alba-Nachwuchs, bevor er 2010 ein Sportstipendium an der University of Connecticut erhielt und in die USA ging. Vier Jahre spielte er am College bei den UConn Huskies.

■ Der deutsche Nationalspieler gewann dort 2011 und 2014 die prestigeträchtige College-Meisterschaft. Damit ist er erst der zweite deutsche Spieler, dem das gelang. Im Sommer kam er zurück zu Alba, wo er einen Dreijahresvertrag unterschrieb.

INTERVIEW NICOLAS SOWA

taz: Herr Giffey, bei Alba läuft es derzeit blendend. Sind Sie selbst ein bisschen überrascht?

Niels Giffey: Absolut. Man denkt aber auch immer, dass man jetzt nicht schon allen Stoff verbrauchen sollte. Die Saison ist lang. Deshalb ist es wichtig, dass man auch bei Siegen immer wieder alles neu analysiert – auch die Art und Weise, wie sie zustande kamen. All die kleinen Details, die wichtig sein können.

Alba hat eine extrem gute Defensive. Was zeichnet sie aus?

Wir attackieren die Ballträger effektiv, doppeln die Gegenspieler gut und sind unangenehm. Das Trainerteam bereitet uns gut auf die gegnerischen Systeme vor. In dieser Kombination kann man dem Gegner schon viele Optionen vorher wegnehmen.

Kommt Ihnen diese Taktik entgegen?

Ich musste einiges dazulernen, was aber gut war, weil mir einige meiner Schwächen klar wurden.

Wohin geht denn Albas Weg in dieser Saison?

Zunächst einmal sind wir nun in Europa unter den Top 16. Das ist schon mal gut, aber wir werden dort sicher harte Niederlagen kassieren. Und zwischendurch muss man bei den Bundesliga-Spielen wieder voll da sein.

Kann Alba mal wieder den Meistertitel holen?

Es ist meine erste Saison – da will ich nicht über Titel reden. Ich habe noch nicht in der Playoff-Serie gespielt. Einige Niederlagen haben den Leuten hier wehgetan – das sollen sie nicht noch einmal erleben.

Nach vier Jahren am US-College sind sie nun wieder zurück in Deutschland. Warum dieser Schritt zurück?

Meine College-Zeit war vorbei, ich hab meinen Abschluss gemacht. Der Weg ins Profileben war der nächste sinnvolle Schritt.

Neben Alba gab es aber auch noch andere Angebote – besser dotierte. Warum Berlin?

Ich hab hier meine Familie, und es gibt Sachen, die wirklich wichtiger sind als das Geld. Man muss nicht den dicken Schecks hinterherrennen. Hier bei Alba und in Berlin bin ich wieder zu Hause. Als ich neulich in der Max-Schmeling-Halle gespielt hab, ist mir wieder aufgefallen, wie unglaublich viel Zeit ich dort schon verbracht habe.

Ist Ihr Traum von der NBA damit erst einmal ad acta gelegt?

Jeder hat diesen Traum. Aber wer schafft schon sofort den Sprung in die NBA? Das ist utopisch.

Sie sind Berliner, sind jung und haben Potenzial. Sie stehen pars pro toto für die Alba-Philosophie. Sie sind Albas Aushängeschild!

Ich bin mir dessen mehr als bewusst. Im Sommer war das Medieninteresse ziemlich groß. Hier ist man von Anfang an mit einer gewissen Erwartungshaltung an mich herangetreten. Man fühlt also schon den Druck. Aber nach einigen Wochen habe ich mir dann gesagt, dass ich einfach mein Bestes geben werde. Den Rest kannst du sowieso nicht beeinflussen.

Sie haben bei Alba einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Im Basketball ist das fast ein Rentenvertrag.

Bei einem anderen Verein hätte ich nicht drei Jahre unterschrieben. Aber wenn ich wieder in Berlin bin, möchte ich die Stadt auch langfristig wieder zu meiner Heimat machen.

Worin liegen die größten Unterschiede zwischen US-College-Basketball und der Bundesliga?

In den USA ist im Spiel alles viel unstrukturierter. Es wird mehr auf Athletik gesetzt, und Einzelaktionen zählen mehr. In jedem Team gibt es dort ein, zwei Spieler, die extrem gut sind. Der Hype ist ein ganz anderer. In Berlin ist man einigermaßen anonym als Profi-Basketballer.

Alba Berlin

■ Erst Madrid, dann Tübingen: Alba Berlin ist in der Basketball-Bundesliga so stark in die Saison gestartet wie seit der Spielzeit 2000/01 nicht mehr. Von 17 Spielen haben die Albatrosse 16 gewonnen und sind damit Ligaprimus. Nur beim direkten Verfolger aus Bamberg musste man sich geschlagen geben.

■ Den letzten Meistertitel feierte Alba 2008, während die goldene Ära in den Jahren 1997 bis 2003 den Berlinern sieben Titel in Folge bescherte. Nächster Gegner in der Bundesliga ist am Samstag, 17. Januar Tübingen (18.30 Uhr, Arena am Ostbahnhof). Auch in der Euroleague ist Alba gut positioniert und steht in der Runde der letzten 16. In der Zwischenrunde haben die Berliner Korbjäger bisher einmal gewonnen und einmal verloren. Am Donnerstag steht das Knallerspiel gegen den Vorjahresfinalisten Real Madrid an (20.15 Uhr, Arena am Ostbahnhof). (jut)

Sie sind ein echter Dreier-Experte. Bekommt man das in die Wiege gelegt?

Nein, das muss man in vielen Extraschichten immer wieder üben. Man kann die Abläufe trainieren, aber mental ist das eine völlig andere Sache. Da muss man lernen, sich vom äußeren Geschehen nicht beeinflussen zu lassen.

Ihr Trainer Sasa Obradovic setzt auf Sie. Sie stehen fast immer in der Starting Five. Wie sehen Sie selbst Ihre Rolle im Team?

Ich bin absolut zufrieden mit meiner Spielzeit, weiß aber auch, dass ich noch ein konstanterer Verteidiger werden muss.

Immer wieder ist zu hören, dass die Stimmung im Team so hervorragend ist. Stimmt das?

Die ist wirklich sehr gut. Ich kenne natürlich einige der deutschen Spieler schon aus früheren Jahren. Das ist sicherlich eine der Stärken, dass gute Charaktere für das Team ausgewählt wurden.

In diesem Jahr steht auch noch die EM mit Spielen in Berlin an. Mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie da ran?

Das wird mit Serbien, Spanien, Italien, Türkei und Island eine krasse Gruppe. Aber wenn man dort heil rauskommen kann, wäre das sensationell. Der Wunsch ist, die nächste Runde zu erreichen. Aber die EM ist im Moment noch sehr weit weg.

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