Aufstand gegen „Charlie Hebdo“

PROTESTE Bei gewalttätigen Demonstrationen gegen das französische Satiremagazin sterben in Niger 10 Menschen. Regierung vermutet Verbindung zu Boko Haram

■ Fast die Hälfte der Franzosen lehnt die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen einer neuen Umfrage zufolge ab. 42 Prozent der Befragten gaben an, die von vielen Muslimen als beleidigend empfundenen Karikaturen des Propheten Mohammed sollten nicht veröffentlicht werden. Wenig Verständnis zeigte man auch in Pakistan und Algerien für die Veröffentlichung. Hier gab es auch gewaltsame Proteste. In Gaza beschmierten Unbekannte das französische Kulturzentrum. Islamische Gelehrte der hoch angesehenen Azhar-Universität in Kairo riefen Muslime in aller Welt erneut dazu auf, die jüngsten Karikaturen zu ignorieren. Im Iran wurde dagegen eine Zeitung wegen angeblicher Sympathiebekundung für Charlie Hebdo verboten worden. (afp, dpa, taz)

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Zum dritten Mal in Folge sind am Sonntag Demonstranten in Nigers Hauptstadt Niamey auf die Straße gegangen – nach zwei Tagen, in denen Proteste gegen die Mohammed-Karikatur auf dem Titelblatt der jüngsten Ausgabe der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo nach offiziellen Angaben zehn Tote gefordert haben.

Anders als am Freitag und Samstag zerstreuten sich die Proteste am Sonntag schnell, weil die Polizei früh massiv einschritt. Dennoch blieb die Lage angespannt. Die Demonstranten wollten auf das Parlamentsgebäude zu marschieren. Das Gebäude wurde abgeriegelt, die katholische Kirche sagte ihre Sonntagsgottesdienste ab.

Je fünf Tote in Nigers Hauptstadt Niamey und in der zweitgrößten Stadt Zinder war die Bilanz der ersten zwei Protesttage gewesen. Das französische Kulturzentrum in Zinder ging in Flammen auf, ebenso christliche Kirchen, die Zentrale der Regierungspartei und diverse Bars. In Niamey traf die Gewalt ebenfalls Kirchen, ein französisches Restaurant sowie Geschäfte. Mehrere Demonstranten wurden von der Gendarmerie erschossen.

Nigers Präsident Mahamadou Issoufou wandte sich am Samstagabend in einer Ansprache an die Bevölkerung und erklärte, er teile „vollkommen“ das „Gefühl von Ekel und Revolte“ der Muslime angesichts der Karikaturen von Charlie Hebdo. Aber am wichtigsten sei es, Niger vor Krieg und Gewalt wie in den Nachbarländern Mali, Libyen und Nigeria zu bewahren.

Niger hat mit 98 Prozent den höchsten muslimischen Bevölkerungsanteil aller afrikanischen Länder südlich der Sahara und gilt als das ärmste Land der Welt. Präsident Issoufou ist demokratisch gewählt und arbeitet eng mit Frankreich und den USA beim Kampf gegen Islamisten in der Sahelzone zusammen. Er hatte am 11. Januar in Paris am Gedenkmarsch für die getöteten Journalisten von Charlie Hebdo teilgenommen, allerdings nicht in der ersten Reihe.

Nigers Innenminister Hassoumi Massaoudou sagte, in Zinder hätten Demonstranten die schwarze Flagge von Boko Haram getragen – der Islamistenarmee, die im Norden des Nachbarlandes Nigeria einen blutigen Krieg führt. Zinder liegt zwar nicht in der Nähe der Kriegsgebiete Nigerias, aber es ist der traditionelle Sitz des alten Sultanats Damagaram aus dem heutigen nigerianischen Bundesstaat Borno, den Boko Haram mittlerweile zu 70 Prozent kontrolliert.