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VORSICHT, KONZERTMARATHON!Jazz ist, was man daraus macht

VON TIM CASPAR BOEHME

Manche Musik ist wohl besser zum beiläufigen Hören zuhause geeignet als für die Bühne. Die Australierin Jasmine Guffond alias Jasmina Maschina etwa hatte am Donnerstag zum Erscheinen ihres sehr schönen und sehr ruhigen neuen Albums ins HBC geladen, wo sie ihre tastenden Songs, in denen Pop, Sechziger-Rock und elektronische Abstraktionen leicht diffus ineinanderlaufen, vor voll besetztem Haus live erprobte.

Der Titel „Alphabet Dream Noise“ wurde dabei vom durchgehend mitteljungen Publikum recht eindeutig interpretiert: So manchem Gast fielen schon bald die Augen zu und der Kopf nach hinten. Da der Abend zugleich als Abschiedsparty von Jasmina Maschinas Labels Staubgold diente, hatte dessen Betreiber Markus Detmer in seinem anschließenden DJ-Set alle Hände voll zu tun, um die Traumbildung nicht überhandnehmen zu lassen.

Tags darauf erst einmal Szenenwechsel: Im Institut français wurde das fünfjährige Bestehen der Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg gefeiert. Zum Auftakt versammelte der Bassist Chris Dahlgren seine Band Lexicon, mit der er eine tolle Platte eingespielt hat. Auf dieser Platte rezitiert eine Computerstimme die Verrisse amerikanischer Kritiker über den Komponisten Béla Bartók, während die Musiker atonal-verschachtelte Ensembletöne beisteuern. An diesem Abend spielten sie überwiegend freiere Instrumentalstücke, statt eines Computers sprach Dahlgren gelegentlich die Texte selbst. Und obwohl es sich durchaus um jungen Jazz handelte, schien er ein eher betagtes Publikum anzuziehen.

Die folgenden Duo-Meditationen über Nino Rotas Filmmusik gerieten dann ein wenig zu beschaulich, was, nach kurzer Beratung, einen spontanen Umzug ins West Germany zur Folge hatte. Dort gastierte die Elektronik-Krautrock-Jazz-Formation Groupshow, die den gestandenen Elektronikern Jan Jelinek, Hanno Leichtmann und Andrew Pekler dazu dient, ihre Ensemble-Qualitäten zu demonstrieren. Das taten sie dann für gute zwei Stunden in Bestform, sehr zur Freude der versammelten Freunde elektronischer Klänge, die sich wie in einem Wohnzimmer um den in der Mitte des Raums aufgestellten Musiziertisch eingefunden hatten.

Damit sollte für das Wochenende noch lange nicht Schluss sein. Samstag begann der Abend mit der „Long Night of Artists‘ Music“ im HAU, genauer mit einem der raren Konzerte des dadaistischen Free-Jazz-Pop-Projekts Hunger. Wem Humor in der Musik ein Graus ist, dem werden die Dinge, die Jörg Hochapfel und Christoph Rothmeier an Tasten und Schlagzeug tun, nicht zupasskommen. Unter den Anwesenden herrschte hingegen freundliches Verständnis für die dargebotene Exzentrik inklusive Lightshow mit antiken Lampenschirmen.

Auch die Künstlerin Michaela Meise, die später zum Akkordeon alte Kirchenlieder vortrug, machte mit ihrem Sakralpop eine überzeugende Figur – viel mehr als der ungelenke offizielle Papstbesuch-Song „Wo Gott ist, da ist Zukunft“, den man sich zu Erbauungszwecken ruhig mal antun sollte.

Höhepunkt dann, erneut im West Germany, der Auftritt von Meyer/Baumgärtner/Meyer, einem jungen Jazztrio, dessen Debütalbum „Melt“ gleich in mehrfacher Hinsicht ein Wunder ist: Hier spielen drei virtuose Instrumentalisten an Gitarre, Bass und Schlagzeug, und zwar als kompakte Einheit, die alle möglichen Einflüsse von Prog- und Indierock bis zu Elektronik so stark verdichtet, dass man meint, völlig neue Musik zu hören. Statt endlosem Solieren besinnt man sich auf ein konzentriertes Spannen weit schwingender Bögen, bei denen die meisten Dinge am unteren Rand der Wahrnehmung vorbeilaufen. Und das alles vor entschieden juvenilem Publikum.

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