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„Diese Sichtweise ist naiv“

FILM Das Antifa-Café zeigt eine Doku, die junge Neonazis aus Findorff unkommentiert reden lässt

Max K.*

ist seit drei Jahren Mitorganisator des unkommerziellen, subkulturellen Freiraums „Grüner Zweig“.

taz: Herr K.*, die ersten Vorstellungen von „Torfsturm – eine rechte Jugendclique“ wurden von der Antifa scharf kritisiert. Nun wird sie vom Antifa-Café gezeigt. Wie kommt das?

Max K.: Bei der Uraufführung 1996 in Bremen wurde ein anderer Ansatz vertreten. Es ist ein Unterschied, ob man die Doku einfach nur zeigt oder sie, wie im Antifa-Café, diskutiert wird. Wir wollen eine Diskussion führen, wie in den Medien und der Öffentlichkeit über Neonazis und die faschistische Szene berichtet wird.

Was macht die Dokumentation denn richtig oder falsch?

Es wurde kritisiert, dass die Interviews in der Doku unkommentiert bleiben. Wir sehen Jugendliche, die sich als Opfer darstellen. Markus Prievenau als ultramilitanter Kern der Szene wird als eine Art Ersatzvater dargestellt. Diese Sichtweise auf die Strukturen der Neonazi-Szene ist naiv. Der Film trug so nicht zur nötigen Kritik bei, sondern bot den Neonazis ein Forum.

Und die Doku ist immer noch aktuell, obwohl sie Mitte der 1990er entstand?

Angesichts der NSU-Morde oder Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte hat der Film eine neue Aktualität. Noch immer findet die Neonazi-Szene bei Jugendlichen den größten Ansatzpunkt. Doch die Öffentlichkeit erkennt nicht, dass es sich um eine Indoktrinierung handelt. Die Jugendlichen werden im Film und auch in der Öffentlichkeit oft als Opfer psychologisiert. Das ist ein völlig falsches Signal.

Inwiefern?

Auf diese Weise werden Freiräume für neofaschistische Strukturen geschaffen. Die Jugendlichen reden sehr viel in der Doku und es lässt sich erkennen, dass sie genau wissen, was sie tun. Das müssen wir analysieren und diskutieren.

Und wie sieht die Arbeit mit rechten Jugendlichen in Bremen aus?

Die ist weiterhin problematisch. Bis heute gibt es in Bremen die akzeptierende Jugendarbeit mit rechten Gruppen. Sie sieht die Jugendlichen wieder in der Rolle des Opfers von beispielsweise schlechter Sozialisation. Dadurch entsteht aber kein selbstkritisches Bewusstsein über die eigene Rolle und die neofaschistischen Strukturen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man das einfach akzeptiert.Interview: MERLIN PRATSCH

*Name ist der Redaktion bekannt

19 Uhr, Grüner Zweig, Erlenstr. 31. Infos: www.fb.com/gruenerzweigbremen

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