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Unterlassene Hilfeleistung

betr.: „Europa braucht Einwanderer“, taz vom 28. 9. 07

Die Kritik an dem Vorschlag von ai und Pro Asyl für einen menschenwürdigen Umgang mit Bootsflüchtlingen ist wohlfeil. Es wird zwar im dazugehörigen Artikel auf Seite 5 über die illegale und menschenverachtende Praxis des EU-Grenzregimes im Allgemeinen und von Frontex im Besonderen berichtet, im Kommentar auf Seite 1 wird dann aber so getan, als sei die „Schleppermafia“ das eigentliche Problem. Hier werden mal wieder Ursache und Wirkung verdreht. Aus Anlass des ai- und Pro-Asyl-Vorschlags wäre es eher angebracht gewesen, die Rechtsverletzungen durch EU-Staaten und das Ausmaß des Flüchtlingssterbens an den Grenzen und auf den Meeren genauer darzustellen. Es ist ein Wahnsinn, dass noch kein Handelsschiff und kein Frontex-Boot wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt wurde, aber jeder, der es wagt, in Seenot befindliche Flüchtlinge zu retten. Das hat mit der „Cap Anamur“ angefangen und setzt sich gerade mit diesen tunesischen Fischern fort. Als „Lösung“ wird in diesem Kommentar vorgeschlagen, dass die EU eine Einwanderungspolitik brauche, „die Europas Bedarf an Immigranten eingesteht“. Diese Erkenntnis ist längst bei Schäuble, Frattini und Konsorten angekommen. Eine Legalisierung von Migration à la Blue Card kann nicht schaden, gegenüber den Bootsflüchtlingen ist sie aber zynisch. Wenn sich Europa die besten afrikanischen Köpfe aussuchen will, wird das den Armuts-, Kriegs- und Umweltflüchtlingen nichts bringen. Deswegen braucht es für diese humanitäre Lösungen. Statt Krieg zu führen, sollte Frontex dazu genötigt werden, die Menschenrechte einzuhalten. Und dazu gehört, dass Flüchtlinge aus Seenot gerettet und in europäische Häfen gebracht werden und dort einen Asylantrag stellen können. Dieser Mindeststandard muss durchgesetzt werden. ANDREAS LINDER, Tübingen

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