hamburger szene: Sag’s in deinen Worten
Dass man vormittags im Buchladen überhaupt Kinder im schulpflichtigen Alter trifft ist ja schon mal seltsam – Schule schwänzen, um dann doch nur sowas Uncooles zu starten. Was diese beiden geschätzt 14-Jährigen sich aber zu sagen hatten, revidierte meine Meinung über Bildungspolitik, die nachhaltigen Schäden durch zu viel Privatfernsehen und überflüssige Anglizismen als Indiz für niveaulose Gespräche komplett.
Dabei schien der Fall klar: Sie nahmen nur die buntesten Buchrücken in die Hand um sie dann, ein wenig respektlos, ganz woanders abzulegen. Da muss doch jemand eingreifen, da muss doch ein Verkäufer kommen und „Verzeihung, kann ich ihnen helfen?“ fragen und ein bisschen Autorität an sich haben. Und überhaupt: Was haben die hier verloren? Die sollten zu Hause sitzen und sich vor Spielkonsolen vergnügen, aber doch nicht die alphabetische Bücherordnung durcheinander bringen, das ist doch Vandalismus!
Endlich schleicht sich ein jetzt schon genervter Angestellter an, da zeigt der eine Schüler auf die Biografien. „Ey samma kennst du den?“ Der andere: „Nee, Mann, wer ist das?“ Auf die Distanz ist schwer zu sagen, wen er meint. Bonaparte, Napoleon? Vielleicht schon mal gehört, den Namen. Bowie, David? Garantiert keine Ahnung. „Das ist Dietrich Bonhoeffer. Der Typ mit der voll vielen Credibility, aus Geschichte.“ Der Verkäufer schaut kurz irritiert und geht an den Jungs doch lieber einfach vorbei.JESSICA RICCÒ
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