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kommerzieller selbstmord? mir doch egalNew Model Army

taz: Ihre Amerika-Tournee ist gerade abgesagt worden, weil Sie keine Visa bekamen – wissen Sie warum?

Justin Sullivan, Sänger und Gitarrist von New Model Army: Das hatte technische Gründe. Die Einwanderungsbehörde ist wohl überarbeitet und unterbezahlt. Wie so oft werden lauter neue Anforderungen gestellt, aber es gibt kein zusätzliches Geld dafür.

Also hatte es keine direkten politischen Gründe.

Nein, wir waren in den letzten fünf Jahren fünfmal in den USA auf Tournee. Das Land hat sich sehr verändert. Vor fünf Jahren gab es überall Fahnen – jetzt ist es wieder wie damals, als ich 1975 das erste Mal dort war und durch die Staaten getrampt bin. Damals, nach dem Vietnamkrieg, gab es ein komisches Gefühl des Ausgebranntseins. Dieses Gefühl ist jetzt wieder da. Das Vertrauen ist verschwunden, der Machismo. Das junge Amerika ist wieder sehr politisch, was es in den letzten Jahren überhaupt nicht war.

Sie haben gerade Ihr 10. Studioalbum aufgenommen – für eine Band, die es seit über 25 Jahren gibt, ist das nicht sehr viel…

Überrascht Sie das? Für uns ging es immer ums Schreiben, und wenn wir auf Tour sind, schreiben wir nicht viel. Außerdem gab es verschiedene andere Projekte außerhalb der Band. In den späten Achtzigern und den frühen Neunzigern waren wir in dieser Tretmühle: eine Platte aufnehmen, auf Tour gehen und danach gleich wieder ins Studio, um eine neue Platte aufzunehmen. Und wenn du das machst, gehen dir schnell die Ideen aus. Du wirst zu einer Maschine. Und wir wollten nie den gleichen Song zweimal machen. Deswegen haben wir beschlossen, aus dieser Mühle auszusteigen. Es ist wahrscheinlich kommerzieller Selbstmord, aber das ist uns egal.

Ist das auch eine Reaktion auf die Krise der Plattenindustrie?

Es ist interessant: Jeder weiß, dass Krisen kommen, aber wenn sie kommen, passiert alles sehr schnell, und niemand weiß, was genau passieren wird. Bands probieren alle möglichen Dinge aus, und wir haben natürlich auch verschiedene Ideen. Aber letzten Endes ist das nicht meine Angelegenheit. Ich bin ein Songwriter. Ich habe einen Platz zum Leben, und wenn ich in den Kühlschrank schaue, ist was zu essen darin. Alles weitere ist mir erstmal egal. Ich mach mir darüber keine Sorgen. Wir haben die Band ja nicht gegründet, um möglichst viele Platten zu verkaufen. Fragen: ASL

Donnerstag, 8.11., 20 Uhr, Modernes

JUSTIN SULLIVAN ist Sänger und Gitarrist von „New Model Army“

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