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Noch keine Waffenruhe in Sicht

BIRMA Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen in der Kokang-Region an der Grenze zu China fordern Dutzende Tote. Regierung verhängt den Ausnahmezustand

Es ist sogar die Rede von „chinesischen Söldnern“ aufseiten der Kokang-Rebellen

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Die Lage in der Kokang-Region im Nordosten Birmas bleibt fragil. Zwar hat die Regierungsarmee beteuert, man habe die Kontrolle über die umkämpften Gebiete zurückerlangt. Doch von einer friedlichen Lösung ist die Region Lichtjahre entfernt. Vor knapp zwei Wochen hatte Präsident Thein Sein den Ausnahmezustand über die Kokang-Region im Bundesstaat Shan an der Grenze zu China verhängt. Der zunächst für drei Monate geltende Notstand, der den Regierungstruppen entsprechende Vollmachten einräumt, soll laut Regierung dazu dienen, „Frieden und Ruhe wiederherzustellen“.

Anlass waren Kämpfe zwischen den Truppen der Regierung und den Rebellen der Kokang, die in einem Ausmaß eskalierten, wie sie die Region seit 2009 nicht mehr erlebt hatte. Während nach offiziellen Angaben in den Reihen der Regierungssoldaten und Rebellen mehr als 130 Menschen getötet wurden, wird über die Zahlen ziviler Opfer nichts veröffentlicht. Auch zwei Konvois des regionalen Roten Kreuzes wurden beschossen, wobei als unklar gilt, welche der Konfliktparteien dafür verantwortlich war.

Nach Darstellung Birmas begannen die Kämpfe, als die Rebellen der Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) am 9. Februar Militärstützpunkte angriffen, woraufhin die Armee eine Gegenoffensive startete. Ein Rebellensprecher hingegen erklärte, der Konflikt sei ausgebrochen, nachdem die Regierung verstärkt Soldaten in die Region entsandt und Luftangriffe geflogen habe. Die MNDAA ist als politische Gruppierung nach dem Zerfall der Kommunistischen Partei Birmas 1989 übrig geblieben.

Als Grund für die Kämpfe gilt die Rückkehr des einstigen Rebellenführers Phone Kya Shin – auch unter dem Namen Peng Jiasheng bekannt – aus dem chinesischen Exil. Der mittlerweile 85 Jahre alte Guerilla war 2009 nach einer Offensive staatlicher Truppen gegen die Kokang-Miliz über die Grenze geflohen. Kürzlich soll er angekündigt haben, in seine Heimat zurückzukehren, um die hauptsächlich von ethnischen Chinesen bewohnten Gebiete der Kokang-Region zurückzuerobern. Infolge der Kämpfe waren Zehntausende Menschen in die südchinesische Provinz Yunnan geflohen.

Indes haben Birmas führende Militärs andere ethnische Rebellenorganisationen beschuldigt, sie hätten sich in dem Konflikt auf die Seite der Kokang geschlagen. Es war gar die Rede von „chinesischen Söldnern“, die mit den Kokang gemeinsame Sache machten. Beobachter erklärten, dass es sich dabei vor allem um die Beteiligung chinesischer Regierungsangestellter oder Geschäftsleute auf lokaler Ebene handeln dürfte, die ihre eigenen Interessen verfolgten. Der Zentralregierung in Peking hingegen dürfte an einer Destabilisierung an ihren Grenzen auf keinen Fall gelegen sein.

Durch den neu aufgeflammten Konflikt rückt ein von Birmas Regierung angestrebtes und auf absehbare Zukunft ohnehin unwahrscheinliches landesweites Waffenstillstandsabkommen in noch weitere Ferne. Zumal die MNDAA keine Waffenruhe mit der quasi zivilen Regierung unter Thein Sein unterzeichnet hat. Doch selbst in anderen Regionen, in denen die Regierung eine Waffenruhe mit den Rebellen ausgehandelt hat, kann von einem Ende des jahrzehntelangen Konflikts kaum die Rede sein.

Nach etlichen Verzögerungen sollte das entsprechende Abkommen am 12. Februar unterzeichnet werden. Der „Tag der Union“ gilt als symbolträchtig, da er an das „Panglong-Abkommen“ erinnert, das Birmas Nationalheld Aung San, Vater von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, am 12. Februar 1947 mit Angehörigen mehrerer ethnischer Minderheiten geschlossen hatte und das diesen gleiche Rechte und eine gewisse Autonomie garantierte. Doch kurz darauf war Aung San ermordet worden. In Birma sind für Ende dieses Jahres wieder Wahlen angesetzt, denen eine landesweite Waffenruhe eigentlich hatte vorangehen sollen. Aber davon kann weiterhin keine Rede sein.

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