: Brauchen wir den Frauentag?
Natürlich brauchen wir den Frauentag! Der Frauentag eignet sich gut dafür, um die Frauen daran zu erinnern, dass sie Frauen sind und eine Möse haben. Und eine Sexualität, die sie selbstbestimmt ausleben können! Dass sie sich und ihre Rolle in der Gesellschaft reflektieren können, dass sie gewisse Marginalisierungen der Frau innerhalb bestimmter Bereiche wahrnehmen und verstehen lernen, Schwanzstrukturen zu hinterfragen. Dass sie darüber nachdenken können, wie sie anfangen können, in ihrem Leben die Hauptrolle zu spielen. Wie sie systemischen Benachteiligungen und Diskriminierungen von Frauen entgegenwirken können. Und bestimmte mediale Frauenbilder zu boykottieren lernen.
An einem Weltfrauentag können Frauen innehalten und darüber nachdenken, wie man die bitchige Solidarität unter Frauen fördern könnte und statt gegen Frauen zu agieren, die anders sind. Man könnte an so einem Tag alles – den eigenen Partner, die Familie, den Beruf und die Gesellschaft – überdenken und diesen Tag als Ansporn nehmen, um sich daran zu erinnern, dass solche Gedanken auch für die übrigen 364 Tage des Jahres gut wären. Nutzt den Weltfrauentag für Euch und fight for your rights! Für uns ALLE. Egal wer ihr seid und woher ihr kommt. Peace.
Reyhan Sahin, 34, Sprachwissenschaftlerin an der Uni Bremen, arbeitet als Rapperin unter dem Namen Lady Bitch Ray
Ob wir ihn „brauchen“? Sagen wir eher: Ist es gut, dass es ihn gibt? Finde ich schon. Weil jede Aktion, jede Rede, jeder Artikel und ja: auch jeder Gedenktag wichtig ist, an dem auf Frauenrechte und ihre Verletzung hingewiesen wird, und zwar weltweit.
Claudia Münster, 50, ist stellvertretende Chefredakteurin der Zeitschrift Brigitte.
Seit über 100 Jahren gibt es ihn schon, den Internationalen Frauentag – ist es denn nun nicht endlich einmal genug? Wer braucht denn noch Feminismus? Frauen sind doch schon längst gleichberechtigt. Davon sind in der Tat viele Männer und auch Frauen überzeugt.
Das Wahlrecht, Frauen in Männerberufen und und und – gibt es doch schon lange! Jetzt ganz neu das Elterngeld für beide Geschlechter und auch noch die gefürchtete Frauenquote in den Aufsichtsräten? Also bitte? Ja, und so sitzt Frau dann ganz entspannt vor der diesjährigen Oscar-Verleihung, alles schön, Männer wie Frauen bekommen Preise, ein offen schwuler Moderator führt durch das Programm, die Schwierigkeiten der Afro-Amerikaner in Hollywood sind in allen Medien und dann? Dann kommt er, der Paukenschlag in Gestalt von Patricia Arquette und nicht nur die anwesenden Damen des Showbiz reißt es von den Stühlen. Auch ich bin auf einmal wieder hellwach und falle fast vom Sofa, als sie sich das Mikro schnappt und kämpferisch in den Saal ruft: „Wir haben für die Gleichberechtigung aller anderen gekämpft. Nun ist es an der Zeit, dass auch wir ein für alle Mal gleiche Bezahlung und gleiche Rechte für Frauen in den USA haben!“
Wow – das sitzt! Ach, das haben die nicht? Oder, bei blitzschnell genauerer Überlegung besser: Ach, das haben die auch noch nicht? Immer noch ist „Gleicher Lohn für gleich(wertig)e Arbeit“ wie bei uns nur eine Forderung?! In Deutschland resultiert daraus für Frauen ein geringerer Rentenanspruch und damit verbunden ein hohes Armutsrisiko im Alter. Das wird zusätzlich unterstützt durch das Ehegattensplitting und die persönliche Besteuerung, konkret die Steuerklasse 5, sowie die beitragsfreie Familienmitversicherung, die sich auf erwerbstätige Frauen auswirken. Dazu kommen im Leben einer Frau häufig geringfügige Beschäftigungen, Pflegezeiten oder das Leben als Alleinerziehende. Mal ganz ehrlich: Eier einfrieren lassen hilft dabei auch nicht wirklich weiter!
Und so gibt es immer wieder neue Fragen und alte Forderungen. Der Rahmen des Internationalen Frauentages bietet die Möglichkeit, sich über den Stand der Diskussion zu sogenannten Frauenthemen schlau zu machen und vielleicht sogar Zugang zu gemeinsamen Aktivitäten zu finden. Möglicherweise ein etwas altertümliches soziales Netzwerken, so direkt von Frau zu Frau. Der Reiz daran ist aber, die Gemeinsamkeit auch sinnlich erfahren zu können: sehen, hören, sprechen, kennenlernen, gemeinsam lachen, sich ereifern und feststellen, dass wesentliche Änderungen ungemein viel Zeit kosten und Errungenschaften auch wertgeschätzt und gehalten werden müssen.
Sich zu verändern, sich dabei treu zu bleiben und immer auf der Höhe der Zeit zu sein, wird dem Internationale Frauentag schon allein durch die Beteiligung immer jüngerer Frauen gelingen, die sich mit ihren Erfahrungen einbringen – ich bin da zuversichtlich!
Verena Behrens, 57, ist Geschäftsführerin des Mütterzentrums in Bremen-Huchting und Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Bremen.
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