: Die hohe Kunst der Bindetechnik
KONTAKT Babys und Kinder nah am Körper zu tragen ist sinnvoll. Ob man dafür nun ein Tragetuch oder lieber eine Tragehilfe benutzt, muss jeder für sich selbst herausfinden
■ Wer in Berlin kompetente TrageberaterIinnen sucht, kann sich unter anderem an die „Berliner Trageberatung“ wenden – ein Team von ausgebildeten Trageberaterinnen mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten. Zum einen kann man sich von ihnen über das Tragen von Babys und Kleinkindern, auch in besonderen Situationen wie bei Frühchen oder Blockaden, informieren lassen und sich zum Ausprobieren auch Tragehilfen und Tragetücher ausleihen. Zum anderen wird Fachpersonal zu Trageberatern qualifiziert. www.berliner-trageberatung.de, kontakt@berliner-trageberatung.de, Tel.: (0 30) 61 67 53 72. Auch über den Tragenetzwerk e. V. lassen sich Trageberaterinnen finden: www.tragenetzwerk.de
VON FRANZISKA KARAGÜR
Die Vorteile des körpernahen Tragens von Babys und Kleinkindern sind mittlerweile ebenso zahlreich wie unbestritten: Die Kinder spüren ihre Eltern und erfahren dadurch beständig Nähe, Sicherheit und Geborgenheit. Es ergibt auch biologisch Sinn, denn kleine Babys können ihre Körperwärme noch nicht allein regulieren und sind auf körperliche Nähe angewiesen. Zudem bleiben Eltern mobil: Mit Kind im Tuch oder der Tragehilfe sind steile Treppen, öffentliche Verkehrsmittel, kaputte Aufzüge oder unwegsames Gelände kein Problem mehr. Praktisch ist es ohnehin: Mutter und Vater können das Baby nah bei sich haben, und trotzdem sind die Hände frei für alltägliche Aufgaben wie Haushalt, Einkauf oder das Geschwisterkind.
Mittlerweile gibt es unzählige Firmen, die Tragetücher und Tragehilfen herstellen. Die Auswahl ist riesig, und doch gilt es einige Kriterien zu beachten. Wichtig ist vor allem eines: Die gewählte Trageweise muss zum Baby und den Eltern passen. Köpfchen und Rücken des Babys müssen gut gestützt werden und die Beinchen die sogenannte Anhock-Spreiz-Haltung einnehmen. Für die Eltern sollte das Tragetuch so gebunden sein, dass es nirgends drückt oder einschneidet. Das Kind ist vor dem Bauch so hoch gebunden, dass die Eltern ohne Verrenkungen das Köpfchen küssen können. Bei allen Tragetüchern und Tragehilfen gilt: Das Baby sollte immer mit dem Gesicht zum Tragenden sein. Beim vorwärts gerichteten Tragen nehmen Baby und Träger fast automatisch eine physiologische ungesunde Haltung ein – die Beine des Babys hängen nach unten, der Kopf wird nicht gestützt, und es kann sich nicht abwenden, was zu Reizüberflutung und Unruhe führen kann.
Mit einem einzigen Tragetuch kann aber durchaus die gesamte Tragzeit abgedeckt werden. So können Babys ab der Geburt aufrecht vor dem Bauch getragen werden, geeignete Bindeweisen hierfür sind beispielsweise das „Känguru“ oder die „Wickelkreuztrage“. Außerdem gibt es verschiedene Tragemöglichkeiten für die Hüfte oder den Rücken. Auf dem Rücken sollten die Babys erst getragen werden, wenn sie circa drei Monate alt sind und ihr Köpfchen schon selbst halten können. Geübte Eltern können sich aber auch schon vorher an die Rückenbindeweisen wagen. Mit etwas Übung lernt jeder die einzelnen Bindetechniken.
Bei dem Tragetuch der Wahl ist es wichtig, dass es lang genug ist (4,60 bis 5,20 Meter), damit beide Eltern alle gängigen Bindeweisen tragen können. Ein Tragetuch lässt sich immer stufenlos an Baby und Träger anpassen und ist daher individuell einsetzbar. Bei den verschiedenen Tüchern gibt es allerdings auch deutliche qualitative Unterschiede im Material, was Auswirkungen auf Bindeeigenschaften und Komfort hat. So sollte nach Möglichkeit vor dem Kauf probiert werden, welches Tuch am besten passt.
Tragehilfen bestehen idealerweise aus einem Rückenteil aus Tragetuchstoff, der sich optimal an den Rücken des Kindes anpasst und trotzdem stützt. Zum Verschließen gibt es Binden oder Schnallen. Das Kind sollte in einer tiefen Hocke sitzen können und dabei der Stoff der Tragehilfe von Kniekehle zu Kniekehle reichen. Da es mittlerweile so viele verschiedene Tragehilfen gibt, sind Eltern gut beraten, wenn sie vor dem Kauf die Trage gründlich testen – am besten mit Baby –, um zu sehen, ob sie gut passt und bequem ist. Denn es nützt die beste und teuerste Trage nichts, wenn sie am Ende in der Ecke landet, weil sie unbequem ist oder drückt. Passt sie gut, dann kann sie auch wie ein Tragetuch so lange benutzt werden, bis die Kinder laufen können.
Um Eltern bei dem Erlernen einer korrekten Bindeweise zu unterstützen oder eine Tragehilfe optimal anzupassen, gibt es in Berlin mittlerweile zahlreiche ausgebildete TrageberaterInnen. Diese können verschiedenste Bindetechniken vermitteln, haben unterschiedliche Tücher und Tragen zum Ausprobieren im Sortiment und helfen den Eltern, die richtige Tragehilfe für sich und ihr Kind zu finden.
Da TrageberaterIn kein geschützter Begriff ist, sollten Eltern jedoch darauf achten, dass die auserkorene Beraterin an einer Trageschule ausgebildet wurde und auch über ein entsprechendes Zertifikat verfügt. Nur so können sie sicherstellen, dass die Beraterin auf dem neuesten Stand ist und ihnen die korrekten Bindeweisen und Informationen vermittelt. Auch Hebammen bieten oft Trageberatung an; Eltern sollten aber nachfragen, ob sie auch an einer Weiterbildung zur Trageberaterin teilgenommen hat.
■ Die Autorin ist Erzieherin und ausgebildete Trageberaterin
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