BOXHAGENER STRASSE: In der Kiste
Auf der Boxhagener Straße in Friedrichshain mit ihren überhandnehmenden immergleichen Touriläden in Geschäften, die einmal Fleischereien und Bäckereien waren, sind die Gehwege mehr Müllhalde als Flaniermeile.
Vor einigen Jahren hat die Sparkasse neben mir das Weite gesucht. Zu viel Müll, Urin, Zerbrochenes, Erbrochenes. In der Nummer 111 der Boxhagener Straße aber gibt es etwas Besonderes: ein „Klavier-Cabinett“. In einem großen Raum mit Spiegel stehen wunderschöne Flügel und Klaviere. Jedes Mal, wenn ich daran vorbeilaufe, glänzen ihr Holz und ihre Tasten um die Wette.
Nun war ich endlich auch einmal drinnen bei den Instrumenten. Ich ging mit meiner Nachbarin zu einem der „Concerts in the Box“. Der Inhaber, ein freundlicher Mann mit flottem braunem dreiteiligen Anzug und keckem blauen Tuch um den Hals, stand gut gelaunt und rauchend draußen und begrüßte jeden persönlich. Nach 1 Euro für die Gema holten wir uns Rotwein, 2 Euro das Glas. Da kann man nicht meckern. Auf Klappstühlen warten wir gespannt auf „Le Piano Fantastique“, Polonaisen und Fantasien von Chopin und Skrjabin.
Skrjabin, Skrjabin, dachte ich. Warum sagte mir der Name was, aber ich weiß nichts über ihn? Umso dankbarer lauschte ich nach dem ersten Teil den Worten des Ladeninhabers. Skrjabin habe mit seiner Musik ein Mysterium schaffen und die Menschen in eine „kollektive Ekstase“ versetzen wollen. Woah.
Wie Teil zwei war? Hm, die Pianistin hat wunderschön gespielt. Leidenschaftlich, kräftig und doch leicht. Von mir aus auch ein wenig mystisch. Aber Ekstase? Nein. Das wäre ohnehin nicht gegangen. Vor eine Ekstase gehört ein Vorspiel. Das Vorspiel in der Boxhagener Straße 111 war sehr schön. Beim nächsten „Concert in the Box“ am 8. Dezember bin ich wieder dabei. Als Boxenluder. BARBARA BOLLWAHN
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