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DIE JUNGE FRAU ÜBERSCHREITET DIE MAGISCHE ALTERSGRENZE, UND DARUM TRÄGT SIE EINEN OVERALL, ÄH, JUMPSUITFrau Schäuble und Lady Varoufakis

ANJA MAIER

Toll sieht sie aus, die junge Lady. Helle, feine Haut, die Haare zum Zopf gebunden. Man sieht noch die Sonne des letzten Jahres in den Spitzen, auch den verpatzten Blondierungsversuch an den Seiten. Die junge Lady – laut und partyinduziert übernächtigt – sieht natürlich trotzdem fantastisch aus.

Kommende Woche hat sie Geburtstag. Achtzehn. The magic day. Sie wird sich abends mit ihren Eltern und den Schwestern in einer abgerockten Bar treffen. Sie wird Alkohol ordern und sich ihre Drinks von ihren alternden Eltern bezahlen lassen. Danach, sagt sie, wird sie in die Nacht starten und überall umsonst reinkommen. Das sei, sagt sie, üblich: Geburtstagskinder feiern für umme.

Was wirst du an deinem Geburtstag anziehen, frage ich die junge Lady. „Diesen geeeeeeeilen Jumpsuit von H&M“, antwortet sie. Schwarz, tailliert, Spaghettiträger. Ich sage, der Jumpsuit – zu meiner Zeit sagte man Overall – sei ein komplett frauenfeindliches Kleidungsstück. Warum sie sich das antue.

Es ist einer jener Momente, in denen die Generationenlücke noch weiter klafft, als sie dies ohnehin schon zu tun pflegt. Bis vor einer Minute hatte mich die junge Lady noch in der Kategorie „okaye Freundin meiner Eltern“ einsortiert. Nun, nach dem Overall-Satz, bin ich da raus. Ein frauenfeindlicher Jumpsuit – hat die sie noch alle?! Ich solle diesen Quatsch mal bitte erklären, sagt sie.

Nun, sage ich, wenn die Overall-Frau mal aufs Klo muss, ist sie gezwungen, sich zwei Drittel ihrer Kleidung vom Körper zu fummeln, um verrichten zu können, was Frauen qua Körperbau nun mal im Hocken oder Sitzen zu verrichten gezwungen seien. Quasi nackt in einer versifften Klokabine. Männer hingegen könnten einfach vorne die Luke öffnen.

Es braucht gar nicht die aufgerissenen Lidstrichaugen der jungen Lady. Es reicht, dass ich mir selber zuhöre. Ziemlicher Achtzigerjahre-Blödsinn, den ich hier zum Besten gab. Aber gesagt ist gesagt.

Es stellt sich aber heraus, dass auch die junge Lady ein Anrecht auf Blödsinn hat. Ob ich eine von „diesen Feministinnen“ sei, von denen sie immer mal wieder höre, fragt sie mich in einer Mischung aus Strenge und Gelächter. Ob ich etwa auch „diese Frauenquote“ befürworte. Ich nicke.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

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Freitag

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Besser

Mittwoch

Martin Reichert

Erwachsen

Okay, sagt die junge Lady, dann werde sie mir mal darlegen, was sie über dieses ganze Gedöns denke. Ihr wäre es peeeeinlich, eine „dieser Quotenfrauen“ zu sein. Sie habe da eine andere Strategie. Sobald sie ihr Abi in der Tasche habe, werde sie was Schlaues studieren, um anschließend irgendeine geile Erfindung zu machen. Mit der werde sie megaviel Geld verdienen, mit dem sie wiederum beabsichtige, ihre männliche Konkurrenz „zuzuscheißen“. Zu diesem Zweck werde sie sich sehr gern aus ihrem geeeeeilen Jumpsuit fummeln. So sehe übrigens „diese Emanzipation“ im 21. Jahrhundert aus.

Der Abend war noch sehr lustig. Die junge Lady und ich waren uns darüber „einig, dass wir uns nicht einig sind“. Quasi Frau Schäuble und Lady Varoufakis im feministischen Kontext verschiedener Jahrhunderte. Das ist doch was.

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