: Blaulicht kommt
Vor dem Mudd Club
Seitdem bei den Surfpoeten nicht mehr geraucht wird, stinkt der Mudd Club nach Schlamm. Der Backstage-Raum hat sich in eine Art Nebelkammer verwandelt, in der sich die Raucher eine nach der anderen anstecken. Am Morgen ist Michael Stein an Lungenkrebs gestorben, am Abend wird des Dichters gedacht.
Als ich aus dem Mudd Club komme, schläft ein Straßenverkäufer laut schnarchend mitten auf der Großen Hamburger Straße. Will mir erst Ärger ersparen und einfach nach Hause gehen, dann aber obsiegt meine Menschlichkeit und ich rufe die Polizei an: „Da schläft ein Mann auf der Straße, Große Hamburger an der Krausnickstraße, ich habe Angst, dass den jemand überfährt.“ In zehn Minuten seien sie da, ich möge bitte bleiben. Mir wird es dann aber zu heikel, was, wenn jetzt jemand über den armen Mann fährt?
Ich gehe hin und spreche ihn an: „Hallo!“ Er wacht auf, ist überrascht. „Geht’s Ihnen gut? Ich habe mir Sorgen gemacht!“ – „Sehr freundlich, vielen Dank, Sie sind ein Engel.“ – „Gehts Ihnen wirklich gut?“ – „Jaja, ich bin nur eingeschlafen.“ – „Ja, mitten auf der Straße, ich habe mir Sorgen gemacht und die Polizei gerufen.“ Plötzlich ist Angst in den vor Alkohol schwimmenden blauen Augen: „Die Polizei? So’n Scheiß! Was soll denn die Polizei? Die hat mir gerade noch gefehlt.“ Schimpfend entfernt er sich.
Ich rufe nochmal 110 an: „Ich habe den Mann angesprochen und er ist weitergegangen, insofern hat sich die Sache erledigt.“ Vom Koppenplatz her sehe ich Blaulicht: „Ach, da kommen Ihre Kollegen schon.“ Schnell sind die Polizisten bei mir: „Wir haben schon mit dem betrunkenen Mann gesprochen, alles klar.“ So kann ich nach viertelstündiger Verspätung nach Hause gehen.
FALKO HENNIG
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