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KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Scheinbar simple Arbeiten werden viel zu oft unterschätzt. Klar spürt man sehr schnell, ob etwas einfach hingeklatscht wurde. Mit einfach versus anspruchsvoll hat das aber nichts zu tun. Bei „paint vs. zombies“ von Ingo Meller in der Galerie M + R wusste ich sofort: hier passiert was. Meller trägt dicke Kantenpinselstriche auf scheinbar rohe Leinwand auf, grob zugeschnitten und ohne Rahmen an die Wand gepinnt. Der dünne Grundierungsfilm ist kaum zu sehen, die Laufrichtung der Webstruktur bleibt sichtbar. An einigen Stellen ist nachvollziehbar, wie sehr die Farbe trotz Grundierung die Leinwand zusammenzieht, sich mit ihr verbindet, an ihr reißt und sie unter Spannung setzt. Wie bei Farbtests ist sie manchmal nur in den Bildwinkeln aufgetragen. Am Pinselaufsatz ist sie dick und satt platziert, zum Ende hin ausgestrichen. So lange bleibt der Pinsel aufgesetzt, bis die Farbe nicht mehr zu sehen ist. Ich liebe den sensorischen Effekt dieses Farbauftrags: Es hat etwas Ausreizendes, Verbrauchendes, Obsessiv-Präzises. Meller, der auch Malerei an der HGB Leipzig unterrichtet, verstößt dazu noch gegen das „Misch-Gebot“ und trägt die Farben auf, wie sie aus der Tube kommen. Die Bilder heißen denn auch z. B. „Chromgelb dunkel, Rembrandt 219; (…)“; die Zutatenliste ist lang. So wie Meller die Farben im Rohzustand kombiniert und dabei die materiellen Details des Untergrunds mit Wertschätzung behandelt, wird jeder einzelne Lichtpartikel, der die Farbwahrnehmung erst ermöglicht, gefeiert. (Bis 15.4., Di–Fr 11–18, Sa 12–17 Uhr, Invalidenstr. 114).

Im Ausstellungsraum des Deutschen Künstlerbunds e. V. traf ich auf meinen zweiten Materialfetisch: Papier. Genauer gesagt: Karton. Im Rahmen der Gruppenausstellung „construct!“ hat Kirstin Arndt fast drei mal vier Meter Kartonpappe mit Nassklebeband an der Wand fixiert. Die Unterseite ist nach vorne herausgeknickt und drückt sich dem Klebeband entgegen, zieht an ihm, als wolle sie zurück in ihre Form. Das Band ist gerade lang genug, um die Spannung zu halten. Kai Richters Baustützen hingegen quetschen auf der Empore ein Stück gelben Dokabalken gegen die Deckenträger. Auch hier lässt sich der Spannungseffekt körperlich spüren. Muss die Decke gehalten werden? Ist sie sicher? Vielleicht geht es auch „nur“ um die Exponierung des zugeschnittenen Balkens, der, hübsch, wie er ist, auf einen Sockel gehört. Und Tamara Lorenz baut verwinkelte Räume in ihr Atelier und fotografiert sie so, dass der Eindruck einer zweidimensionalen Collage entsteht. Beim näheren Hinsehen erschließt sich die komplexe Tiefenstruktur darunter (Di–Fr 14–18 Uhr, Markgrafenstr. 67).

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