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Mit schmutzigen Händen

DESASTER Berichterstattung über Todesflüge können andere Medien besser, wüste Ursachenspekulation ebenso. Doch was kann die taz dann leisten?

VON INES POHL

Der Kampf um die prominenten Plätze und die Themenaufbereitung in der Zeitung gehört zu unserer Alltagskultur. Wo wollen wir den Schwerpunkt setzen, mit welcher Position kommentieren wir und welche Haltung soll unsere Titelseite transportieren? Es sind genau diese Auseinandersetzungen, die die eigentliche Leistung der Redaktion darstellen.

Es ist diese Intelligenz des Schwarms, unseres taz-Kollektivs, die unsere kleine Zeitung einzigartig macht. In keinem anderen Haus gibt es diesen unabhängigen, offenen, von keiner Blattlinie eingeschränkten Wettbewerb um die eigenständigsten Ideen. Es macht die Entscheidungen aber manchmal auch schwierig. Denn es ist ja was dran an diesem alten Sponti-Satz: „Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.“ Wir haben einen fast liebevollen Umgang mit diesem Problem gefunden. Immer dann, wenn es hakt, wenn alle Argumente ausgetauscht sind, spricht jemand mit leichtem Timbre in der Stimme die gewichtigen Worte: „Dafür wurde die taz nicht gegründet.“ Und das ist dann nur halb spaßig gemeint. In den vergangenen Tagen haben wir erlebt, dass es Ereignisse gibt, bei denen auch diese Orientierungshilfe an ihre Grenzen stößt.

Wie groß müssen wir über den Todesflug 4U9525 der Germanwings-Maschine berichten? Nach den Dauerinformationssendungen in Radio und Fernsehen, nach den Wahrheiten, Halbwahrheiten und bloßen Spekulationen – welche Rolle soll da die taz spielen, die kaum mit eigenen investigativen Recherchen an neue Informationen über den Inhalt des Flugschreibers oder mögliche technische Defekte kommen dürfte? Katastrophe können andere besser. Mit mehr Ressourcen, mit größerer Erfahrung in den Grauzonen: Was ist ethisch noch vertretbar? Zonen, die man mithin betreten muss, um an relevante Informationen zu kommen. Zum Auftakt der Woche haben wir darüber lange diskutiert. Eine Kollegin hat den denkwürdigen Satz formuliert: „Als Journalistin muss man sich manchmal auch selber die Hände schmutzig machen.“ In Zeiten, in denen vor allem Inhalte Verbreitung finden, die sehr zugespitzt, sehr kurz und rasend schnell formuliert werden, müssen wir unsere ethischen Standards, die wir JournalistInnen uns zum Beispiel im deutschen Pressekodex gegeben haben, unbedingt bewahren. Aber Ethik kann für JournalistInnen nicht nur Verbot heißen, nicht nur die Verpflichtung, Namen nur zu nennen, wenn sie einen wirklichen Erkenntniswert transportieren, oder Fotos nur abzubilden, wenn dadurch keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Journalistische Ethik ist auch ein Auftrag, selbst hinzuschauen, auch wenn man sich vielleicht die weiße Weste beschmutzt. Wir haben uns dafür entschieden, nach Montabaur, in den Heimatort von Andreas L., zu gehen, weil wir mit eigenen, mit taz-Augen, sehen wollten, was dort los war, als die Medienhorden langsam wieder abzogen. Wir haben uns entschieden, die Debatte über die ärztliche Schweigepflicht zu führen, ob – und wenn ja, wann – psychische Krankheiten dem Arbeitgeber mitgeteilt werden sollten. Weil wir eine eigene, eine Gegenstimme formulieren wollen, gegen die allzu leichtfertige Stigmatisierung von Menschen. Weil wir das Feld nicht jenen überlassen wollen, die jedes Unglück immer auch für ihre eignen Zwecke nutzen, die sofort nach schärferen Sicherheitsmaßnahmen rufen.

Aber es gibt die taz auch, um mutigen Journalismus zu machen. Und das kann mithin heißen, sich über das eigene Gefühl, dass man „damit lieber nichts zu tun haben will“, hinwegzusetzen. Denn nur dann sind wir in der Lage, die mediale, aber auch politische Interpretation nicht den anderen zu überlassen. Und, ja: Genau dafür wurde die taz gegründet.

Ines Pohl, 47, bildet zusammen mit Andreas Rüttenauer die Chefredaktion der taz

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