: Usbekistans wortgewaltiger Opponent
In seinen Versen lässt Jussuf Dschuma das Florett beiseite und greift sich den Säbel. Als im Oktober drei Kugeln den Journalisten Alischer Saipow töteten, dichtete der Usbeke. „Im Blut sitzt der Drache und dürstet nach Blut, Hölle, innen und außen, und sein Hecheln Hölle. Er tötete Alischer, der Verdammte und Niederträchtige. Und der Mörder der Mutigen sitzt in Taschkent, in Ak Sarai.“
„Ak Sarai“ ist die Residenz des usbekischen Präsidenten Islam Karimow in Taschkent, der Hauptstadt des zentralasiatischen Landes. In dem Gedicht über die Ermordung des Journalisten lokalisiert Dschuma den Urheber von Mord, Folter und Willkür im Lande immer wieder in „Ak Sarai“. Unmittelbar vor den usbekischen Präsidentenwahlen am 23. Dezember holte sich die Staatsmacht den wortgewaltigen Poeten.
Der 49-Jährige bekämpfte die Furcht, die das Regime in Usbekistan sät, mit Mut zur Kritik. Seine Gedichte gehen von Hand zu Hand und werden auf außerhalb von Usbekistan registrierten Internetseiten veröffentlicht. Legendär ist ein Auftritt des Dichters bei einer BBC-Feier 2004 in Taschkent. Dschuma stand auf und rezitierte ein Gedicht über das Wort „IAK“, die Initialen des usbekischen Präsidenten, die sich zum Ruf eines Esels fügen. Auch der heutige Außenminister Wladimir Norow war anwesend und flüchtet während des Spottgesanges aus dem Saal.
Wortgewaltig sind auch die Strophen über das Massaker von Andischan, als 2005 usbekische Sicherheitskräfte einen Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt niederschossen. Als danach die Repressionen zunahmen, schwieg der Dichter nicht.
In der Nacht zum 11 Dezember erstürmten Spezialeinheiten das Haus des Usbeken in der Provinz Buchara, wo er mit seiner Frau und fünf Kindern wohnt. Am nächsten Morgen lagen Dschumas Hunde erschossen im Hof, und der Dichter samt Familie war verschwunden. Freunde und Verwandte fürchteten das Schlimmste. Zuvor hatte sich Dschuma mit einem „Protest auf Rädern“ gegen den Arrest eines seiner Söhne gestemmt. Dieser war verhaftet worden, um den Vater zum Schweigen zu bringen. Dschuma hatte sein Auto mit Plakaten beklebt, auf denen er die Freiheit seines Sohnes forderte, und war durch die Provinz Buchara gefahren.
Nach neusten Erkenntnissen konnte der Poet wohl aus dem belagerten Haus flüchten, wurde aber dann später mit einem weiteren Sohn verhaftet. Ihm werden, so ein Familienmitglied, von der Staatsanwaltschaft Angriffe auf den Präsidenten und die Verfassung vorgeworfen, zudem soll er bei dem Protest auf Rädern zwei Polizisten über die Füße gefahren sein. MARCUS BENSMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen