: Sollen Drogen legalisiert werden?Ja
RECHT Die Regierung will die Gesundheit ihrer Bürger schützen. Aber viele Bürger würden über ihre Gesundheit gern selbst entscheiden
Die sonntazfrage wird vorab online gestellt.
Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.
Hubert Wimber, 62, ist seit 1997 Polizeipräsident von Münster in Westfalen
Drogen sollten legalisiert werden, weil Prohibition nicht funktioniert. Das hat das Alkoholverbot in den USA gezeigt und das beweist auch die erfolglose repressive Drogenpolitik in Europa. Nach dem Bericht von Reuter und Trautmann zur Auswirkung der Drogenpolitik wurde in zehn Jahren keines der Ziele erreicht. Drogen sollten legalisiert werden, weil Milliarden Steuergelder ohne Effekte in die Bekämpfung der Drogenkriminalität gepumpt werden, anstatt drogenpräventive Maßnahmen zu fördern. Die Legalisierung und kontrollierte Ausgabe einschlägiger Substanzen würde die Drogenpolitik erfolgreicher machen. Nebenbei würde es für die Polizei weniger Personalstunden bedeuten.
Hans Söllner, 56, ist bayerischer Liedermacher und raucht gerne Marihuana
Es ist einfach nicht richtig, Menschen, die mit Drogen Probleme haben, auch noch Probleme durch Polizei und Gerichte zu machen. So wie es nicht richtig ist, Menschen, die mit Drogen keine Probleme haben (wie ich zum Beispiel), Probleme zu machen durch Verängstigung, Verfolgung und Führerscheinentzug. Es gehört zur Entwicklung eines Menschen, etwas ausprobieren zu dürfen, um danach Entscheidungen zu treffen, die dieser Mensch für richtig hält und nicht irgendein Richter oder Polizist. Wenn irgendjemand die Welt und diese Jugend retten will, dann sollte er dieses Schulsystem abschaffen und sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen und nicht für die Verfolgung von Drogen.
Wolfram Schulte, 48, ist Leiter einer Drogenberatungsstelle in Dortmund
Die Zeit des Alkoholverbots in den USA hat gezeigt, wie schnell kriminelle Strukturen einen Markt für sich entdecken, trotz aller staatlichen Repression. Gleichzeitig blieben viele KonsumentInnen auf der Strecke, gesundheitlich, sozial und psychisch. Auch heute liegt die Kontrolle über den Markt nicht in den Händen des Staats, sondern in kriminellen Strukturen. Die KonsumentInnen werden kriminalisiert, Verelendung ist die Folge. Der Rückgang des Drogenkonsums wird nicht erreicht. Stattdessen entstehen durch Strafverfolgung hohe Kosten. Würden Drogen legalisiert, hätte der Staat die Kontrolle über den Markt und könnte das Geld in die Gesundheit investieren – indem er Fachleute mit der Beratung zu Suchtpotentialen, Risiken und Nebenwirkungen beauftragt.
Heidrun Behle, 63, Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit e.V., hat auf taz.de kommentiert
Legalisierung bedeutet für uns Kontrolle. Kriminelle bestimmen nicht nur den Preis, sondern auch die Qualität, wohin der Gewinn fließt, an wen verkauft wird. Über legale Drogen bestimmt der Staat bis ins kleinste Detail. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Politik Verbrechern das Geschäft überlässt und diese ungeschoren bleiben – während die Konsumenten zu Kriminellen gemacht werden. Es wird höchste Zeit diese Zustände zu ändern. Drogenkontrolle gehört in die Hände unseres Staates. Legalize it!
Nein
Mechthild Dyckmans, 61, Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Eine Legalisierung der unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Substanzen lehne ich strikt ab. Auch nur Cannabis zu legalisieren wäre der falsche Weg. Keine Studie stellt dem Cannabiskonsum eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, er kann zu ernsthaften Beeinträchtigungen führen. Die Anzahl von jungen Menschen nimmt zu, die sich wegen eines Cannabisproblems behandeln lassen. Es ist wichtig, vor dem Konsum aller Suchtstoffe zu warnen. Es wäre ein falsches Signal, vor dem Alkoholkonsum und dem Rauchen zu warnen und gleichzeitig Cannabis freizugeben. Deshalb kommt eine Legalisierung von Drogen nicht in Frage und ist gesundheitspolitisch nicht zu verantworten.
K.I.Z. sind eine vierköpfige Rap-Kombo. Sie leben in der Hauptstadt
Wo kämen wir denn da hin? Erst die Proleten auf dem Golfplatz, dann die Computer-Spastis im Landtag und jetzt auch noch Drogen für gesetzesfürchtige Weicheier? Drogenkonsum braucht den Dunst des Verbotenen! Das Outlaw-Feeling beim morgendlichen Crackrauchen im Flur oder das kleine Geheimnis, das man sich mit dem Kollegen aus der Marketing-Abteilung auf der Toilette teilt. Es sind diese Momente, die uns zu Menschen machen, unsere kleinen Geheimnisse, die uns ja auch gleichzeitig so liebenswert machen. Deswegen sind wir für das Verbot jeglicher Drogen – Alkohol eingeschlossen. Weder der Schlappschwanz mit Burnout-Syndrom noch der Jammerlappen mit Depressionen hat den Rausch verdient!
Andreas Niedrig, 44, früher drogenabhängig, heute Hochleistungssportler
Durch meine Suchterfahrung habe ich bei vielen Projekten Kontakt mit Abhängigen. Die Gründe für den Drogenkonsum haben sich verschoben. Früher ging es um Rebellion. Heute versuchen viele Konsumenten, Langeweile und soziale Missstände zu vergessen, das Fehlen von Werten mit Drogen zu kompensieren. Marihuana ist um ein Vielfaches stärker als vor Jahren. In den Therapiestätten sind Jugendliche schwerstabhängig und geschädigt. Erwachsene, die fest im Leben stehen, wollen nun ein Gesetz kippen, das junge und ältere Menschen schützen soll. Und das eines aufzeigt: Grenzen! Grenzen muss es gerade in unserer heutigen Gesellschaft geben.
Michael Kirchner, 32, hat bei dem Dokumentarfilm „Edge“ Regie geführt
In den USA gibt es eine kleine Straight-Edge-Splittergruppe, die ein striktes Verbot aller Drogen fordert. Dieser Ansatz ist als Provokation zu verstehen. Das Verhältnis zu Drogen ist innerhalb der Szene ambivalent. Viele verurteilen jegliche Bevormundung durch den Staat, auch in Bezug auf Drogen. Es ist dennoch schwierig, einer Legalisierung aller Drogen zuzustimmen. Vermutlich würden Konzerne versuchen, Produkte zu vermarkten, ähnlich wie Bier und Zigaretten. Zudem würde es nicht das Ende der Beschaffungskriminalität bedeuten. Positiv wäre allerdings, dass harte Drogen auf einer Stufe mit gesellschaftlich akzeptierten Drogen stehen würden. Deren Verharmlosung als kulturelles Gut würde wegfallen.
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