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Leichen pflastern seinen Weg

■ Der 30jährige irische Untergrundkämpfer „Border Fox“ bekennt sich offen zu Mord und Folter an ehemaligen Genossen in der „Irischen Nationalen Befreiungsarmee“ / Durch die Geschichte der INLA ziehen sich mehrere Spaltungen

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die nach blutigen internen Machtkämpfen Anfang des Jahres totgesagte Untergrundorganisation „Irische Nationale Befreiungsarmee“ (INLA) macht wieder von sich reden. Seit einer Woche durchkämmen Polizisten in Nord– und Südirland die gesamte Insel auf der Suche nach dem „Border Fox“ (Grenzfuchs) und seiner INLA–Fraktion, denen die Entführung eines Dubliner Zahnarztes am letzten Mittwoch angelastet wird. Der „Border Fox“ war bereits vor der Entführung wegen einer Serie von Morden und Raubüberfällen beiderseits der Grenze der meistgesuchte Mann Irlands. Seine Identität ist bekannt: hinter dem harmlosen Spitznamen verbirgt sich der 30jährige Dessie OHare, der vor sechs Wochen aus der INLA ausgeschlossen wurde und seitdem mit fünf bis sechs Leuten als „Unabhängige INLA“ agiert. Diese neuerliche Spaltung ist die konsequente Fortsetzung der Geschichte der INLA und ihres politischen Flügels, der „Irisch– Republikanischen Sozialistischen Partei (IRSP)“. Beide Organisationen sind 1974 aus einer Abspaltung der „Offiziellen Sinn Fein/ IRA“ entstanden (die „Provisorische Sinn Fein/IRA“ hatte sich bereits 1970 abgespalten), weil sie deren reformistischen Kurs und die Einstellung des bewaffneten Kampfes nicht mittragen wollte. Von Anfang an wurden IRSP und INLA verfolgt: zunächst von den ehemaligen Genossen, dann von britischen und irischen Sicherheitskräften. Mit der Entwicklung von IRA und Sinn Fein nach links seit Beginn der achtziger Jahre verloren IRSP/INLA als radikale Alternative immer mehr an Bedeutung. Mit Hilfe eines Kronzeugen wurde die gesamte Führungsspitze Mitte der achtziger Jahre hinter Gitter gebracht. Als die Gefangenen im Dezember 1986 freigelassen werden mußten, weil der Kronzeuge zu offensichtlich gekauft war, hatten inzwischen andere die Führung der beiden Organisationen übernommen. Es begann ein erbarmungsloser Machtkampf zwischen den Fraktionen, der zwölf Menschen das Leben kostete. Schließlich schlossen die beiden Gruppen einen Waffenstillstand und begannen, sich zu reorganisieren. Eine Gruppe behielt den Namen der INLA, die enge Kontakte zur französischen „Action Directe“ hat, von der sie angeblich auch mit Waffen versorgt wird. Der andere Flügel nennt sich „Irische Volksbefreiungs–Organisation“ (IPLO). „Border Fox“ OHare war schon als Teenager Mitglied der IRA. Während er eine siebenjährige Gefängnisstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes absaß, schloß er sich der INLA an. Nachdem er seine Haftstrafe Ende letzten Jahres verbüßt hatte, griff er sofort in die mörderische INLA– Fehde ein. Sein Ausschluß aus der INLA vor sechs Wochen zeigt, daß seine brutalen Geldbeschaffungs–Aktionen selbst dieser gewiß nicht zimperlichen Organisation zuviel wurden. In einem geheimen Interview mit der irischen Zeitung Sunday Tribune vor einer Woche erklärte OHare: „Ich würde gerne ein paar Politiker umlegen. Ich glaube nämlich nicht an Politik, sondern an die Bombe und die Bleikugel.“ Er rechnet nicht damit, das Pensionsalter zu erreichen. „Sie werden nicht versuchen, mich lebend gefangenzunehmen. Doch ich werde mich teuer verkaufen.“ Er schätzt, daß er seit 1974 ungefähr 26 Menschen ermordet hat. Mindestens drei davon waren ehemalige Genossen aus der INLA, die er vorher noch folterte. „Ich wollte nicht, daß sie schmerzlos sterben. Das waren miese Typen, die die Macht in der INLA übernehmen wollten“, sagt er. Auch die IRA ist mittlerweile hinter dem „Border Fox“ her, da er nicht nur Waffen von ihr gestohlen hat, sondern durch seine Gangstermethoden eine großangelegte Fahndung auslöste, die auch die IRA in Gefahr bringt.

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