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Gänse sind Vegetarierinnen

■ „Weidegänse zum Weihnachtsfeste“ / Wie der Festbraten sauber zu Tode kommt, wollen die Städter nicht wissen / Eine Stippvisite auf dem Geflügelhof Tietjen

„Müssen Sie das unbedingt fotografieren?“ Ingo Tietjen vom Geflügelhof in Neuenkirchen kennt die Psychologie der fleischfressenden Menschen: ihre Weihnachtsente soll rechtzeitig gemästet und schwer sein, sie soll sauber und tot angeliefert werden, aber das Blut wollen sie nicht sehen, die Städter. Vorgestern waren noch achthundert Stück Geflügel auf der Wiese, bis auf wenige werden sie in der nächsten Woche in der Bratpfanne landen. Dazwischen Schweigen.

Vor der Tür des Schlachtraumes liegen einige braune Säcke herum, in denen lebende Gänse aus der Umgebung angeliefert werden. In der Ecke ist die Wand blutig vollgespritzt - „das machen wir erst sauber, wenn der Tag um ist“. Da werden die Hälse der betäubten und getöteten Tiere in einen Trichter gesteckt und aufgeschlitzt, damit das Blut hinauslaufen kann. Die Leiber werden dann an eine Maschine gehalten, die sie entfedert. Gegen den

ohrenbetäubenden Lärm tragen die Leute im Schlachtraum Ohrschützer. In einem Sack werden die Federn angesaugt: „Da schlafen Sie dann drauf“, sagt Tietjen. Für die kleineren Unsauberkeiten der Geflügel-Haut wird dickes Wachs aufgetragen; wenn das angetrocknet ist, kann frau mit ihm alle kleinen Federkiele abreißen. In der Kälte-Kammer liegen dann Perlhühner, Enten, Gänse, auf besonderen Wunsch auch noch nicht ausgenommen.

Tietjen macht sein Geschäft mit den Gänsen „nicht alternativ, aber ein bißchen anders“. Im Juni müssen die Tiere schlüpfen, wenn sie zu Weihnachten fertig sein sollen. 55.000 Quadratmeter Grünfläche stehen für sein Federvieh zur Verfügung, „Weidegänse zum Weihnachtsfeste“ preist der Geflügelhof an. Die Tiere werden weder gestopft noch mit chemischen Präparaten fett und schwer gemacht, sondern mit Getreide gefüttert - Gänse sind Vegetarierinnen.

K.W.

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