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Gewalt ohne Ende?

■ Berlin-Prenzlauer Berg - Kreuzberg des Ostens?

Offensichtlich ist, die Fälle von politischer Gewalt nehmen rapide zu. Überfälle auf Einrichtungen der „linken Szene“ sind längst keine Seltenheit mehr. Erst am letzten Samstag kam es in Berlin-Prenzlauer Berg wieder zu einem Überfall von Skins auf das besetzte Haus der Schönhauser Allee 26. Dieses Haus steht in direkter Nachbarschaft der Volkspolizeinspektion des Stadtbezirkes. Es stellt sich die Frage, ob die Polizei überhaupt noch in der Lage ist, den Schutz aller Bürger vor rechtsradikalen Übergriffen zu gewährleisten.

Auf dem Schreibtisch von Oberstleutnant Moche - Leiter der VP-Inspektion Prenzlauer Berg - liegt eine grüne Broschüre: „Das Ministerium für Innere Angelegenheiten in der gesellschaftlichen Erneuerung /Bestandsaufnahme und Schlußfolgerungen.“

Wenn er von den Einsätzen der letzten Zeit spricht, ist ihm Unsicherheit anzumerken - Umgestaltung ist halt nicht aus Dienstanweisungen zu lernen.

„Am Samstag fand im Jahn-Sportpark das Fußballspiel FC Berlin gegen Energie Cottbus statt. Schon im Stadion versuchte der negative Anhang“, - er sagt tatsächlich negativer Anhang - „die Anhänger der Cottbuser Mannschaft zu provozieren. Die wollten überhaupt kein Fußballspiel sehen, es ging ihnen nur um Randale.“ Der Oberstleutnant blickt zu mir herüber. „Doch dank einer neuen, von uns erstmalig angewandten Polizeitaktik, gelang es uns, Gewalt zu verhindern.“ Er erzählt von permanenter Unterbesetzung; wie schwer es sei, in der heutigen Zeit Polizist zu sein. „Wir erfüllen doch nur noch eine Pufferfunktion.“

Dann kommt er zum Thema zurück: Nach dem Spiel hätten sich rund 300 Personen des „negativen Anhangs“ in Richtung Dimitroff-Straße begeben, mehrere Schaufensterscheiben eingeschlagen, um dann geschlossen durch die Schönhauser Allee zu ziehen. „Zeitweilig kam der Kraftverkehr stadteinwärts völlig zum Erliegen.“ Vor dem besetzten Haus angekommen, wurden Steine und andere Wurfgeschosse gegen das Haus geschleudert.

Wieder unterbricht sich der Oberstleutnant. „Ich sage Ihnen, die da in dem Haus wohnen, sind auch nicht ganz ohne. Da sind“, er stockt kurz, „teilweise ultralinke Kräfte darunter.“ Die hätten dann die Wurfgeschosse der Skins mit Steinen, Flaschen und Brandflaschen beantwortet. Trotz der angespannten Personalsituation, er betont das immer wieder, sei es seinen Leuten gelungen, die Ansammlung zu zerstreuen.

Als jedoch Stunden später sich wiederum rechtsradikale Elemente vor dem mit DDR-Fahnen beflaggten Haus versammelten, stand ledigleich ein Funkstreifenwagen zur Verfügung. Bei dem Versuch, sich einen oder mehrere Randalierer aus der Gruppe herauszugreifen, wurde ein Polizist so schwer verletzt, daß er stationär behandelt werden mußte.

„Eigentlich hätte die Besatzung des Wagens ja auf Verstärkung warten müssen.“ Oberstleutnant Moche zuckt mit den Schultern. Nach einer Weile sagt er: „Wissen Sie, wenn das so weiter geht. - Wir sind doch jetzt schon das Kreuzberg des Ostens.

O.K.

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