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Südafrikas Polizei ist unerbittlich

Seit der Freilassung Mandelas kam es zu den schlimmsten Auseinandersetzungen seit Mitte der 80er / Rechte Polizisten schießen öfter scharf als früher / Eine hoffnungsvolle Bevölkerung agiert, doch oft ohne politische Einbettung  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Die Probleme, die Nelson Mandela nach seiner Rückkehr von einer längeren Auslandsreise erwarten, sind mannigfaltig. Nicht nur kriselt es weiter in den sogenannten „Homelands“. Generell haben seit seiner Freilassung und der Legalisierung des ANC die blutigen Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei zugenommen. Mehr als 300 Menschen sind seit Mitte Februar in ganz Südafrika ums Leben gekommen. Die ungezügelte Brutalität reformfeindlicher Polizisten hat nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen entscheidend zu dieser schlimmsten Gewaltwelle seit den landesweiten Aufständen Mitte der achtziger Jahre beigetragen. Aber auch Hoffnungen in der Bevölkerung auf schnelle politische Veränderungen und neueröffnete Spielräume der Artikulation politischen Protestes haben hierbei eine Rolle gespielt.

Eines der erschreckendsten Beispiele der letzten Wochen ist die Situation im schwarzen Wohnort Khutsong bei Carletonville, einem ultrakonservativen Grubenort östlich von Johannesburg. Seit dort im Januar ein 16jähriger von der Polizei zu Tode gefoltert wurde, ist die Welle der Auseinandersetzungen nicht abgebrochen. Inzwischen sind dort mindestens 19 Menschen getötet worden. „Zufällig“ wurden zwei der wichtigsten Zeugen des Foltermordes von der Polizei erschossen. Auch zwei schwarze Polizisten kamen ums Leben.

Die Eskalation der Polizeibrutalität hat auch politische Motive. „Viele der Polizisten sind Unterstützer der ultrarechten 'Konservativen Partei‘ oder gar der neofaschistischen 'Burischen Widerstandsbewegung'“, meint Audrey Coleman, Leiterin des „Unterstützungskomitees für Häftlinge“ (DPSC). „Die sind wütend nach den jüngsten Reformen. Die Polizei setzt viel öfter scharfe Munition ein als früher.“ Und der Apparat greift auch zu anderen altbekannten Formen der Repression. DPSC zufolge sind in den letzten Wochen mindestens 200 Menschen ohne Gerichtsverfahren verhaftet worden. Adriaan Vlok, Minister für Recht und Ordnung, betonte, es handele sich bei den Verhafteten nicht um politische Aktivisten, sondern um „Anstifter zur Gewalt“. „Das stimmt nicht“, sagt Coleman. „Es werden führende Mitglieder von Oppositionsorganisationen verhaftet - genau die Leute, die vermitteln könnten.“

Viele der Auseinandersetzungen der letzten Zeit haben an kleinen, abgelegenen Orten stattgefunden. Mark Swilling, Sozialforscher an der Johannesburger Witwatersrand Universität, glaubt, daß die Polizei dort besonders rücksichtslos vorgehen kann. Aber er betont auch die Organisationsschwächen der Opposition in diesen Gebieten. „Die größte Herausforderung für den ANC ist, wie er auf unkontrollierte Proteste reagiert“, meint Swilling.

Aziz Pahad, Mitglied der ANC-Exekutive, sieht darin eher Chancen. „Die Leute spüren, daß eine Veränderung jetzt unvermeidlich ist“, meint er. „Millionen von Menschen werden aktiv, selbst wenn sie nicht in politischen Strukturen organisiert sind. Sie agieren, weil sie zuversichtlich sind, daß das System zusammenbrechen wird.“ Im Vorfeld der kommenden Verhandlungen zwischen ANC und Regierung, die am Wochenende auf den 11. April terminiert wurden, sei es deshalb besonders wichtig, daß der ANC seine Autorität bei der Bevölkerung konkret unter Beweis stelle. „Wenn der ANC es schafft, für Disziplin zu sorgen und Strukturen aufzubauen, dann wäre das ein wichtiger psychologischer und politischer Sieg.“

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