piwik no script img

Auch Minenkonzerne freuen sich über Unabhängigkeit

Namibia wird selbständig / Einfluß der Weißen und Südafrikas weiterhin dominant / Währungsunion bleibt vorerst / Streit um Walfischbucht / Vorerst keine Enteignungen  ■  Aus Windhuk Hans Brandt

Seit gestern ist Namibia unabhängig - politisch unabhängig. Aber für die schwarze Mehrheit der Bevölkerung liegt die Bedeutung des jahrzehntelangen Kampfes gegen Unterdrückung und Ausbeutung nicht in der Ernennung Sam Nojomas zum Präsidenten oder im symbolischen Hissen der eigenen Flagge. Die Menschen hoffen auf eine entscheidende Verbesserung ihrer Lebenslage. Und darauf werden sie noch lange warten müssen. Wirtschaftlich wird der jüngste Staat der Welt jetzt erst recht seine Unabhängigkeit erkämpfen müssen. Die Erfolgsaussichten sind schlecht.

Die Arbeitslosigkeit in Namibia wird von einigen Beobachtern auf 60 Prozent geschätzt. Auf jeden Fall hat der Rückzug der Südafrikaner, die nicht zuletzt mit Milliardensummen für den Krieg gegen die südwestafrikanische Volksorganisation Swapo zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen hatten, die Zahl der Arbeitslosen noch erheblich erhöht. Auch der Miniboom, durch den Zufluß von 460 Millionen US -Dollar allein für die Durchführung des Unabhängigkeitsprozesses ausgelöst, wird jetzt ein Ende haben.

Die wirtschafliche Bewegungsfreiheit der neuen Regierung ist stark eingeschränkt. Namibia bleibt abhängig vom großen Apartheidnachbarn Südafrika. Der ökonomische Einfluß der 75.000 Weißen - bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 1,5 Millionen - bleibt überwältigend, trotz Aufgabe ihrer politischen Macht.

Auch auf das Wohlwollen der multinationalen Bergbaukonzerne, die mit über 70 Prozent aller Exporte den Außenhandel beherrschen, ist die neue Regierung angewiesen. Und die haben ihre Meinung deutlich kundgetan. „Freie Marktwirtschaft und Profitstreben führen zu maximaler Produktivität,“ heißt es im jüngsten Jahresbericht der Minenkammer, dem Verband der Bergbaukonzerne. „Wir würden also nur konstruktive Veränderungen unterstützen, beispielsweise Vermarktung von Erzen, Lohn- und Arbeitsfragen oder Steuerstrukturen.“

Die Swapo hat ihre Wirtschaftspolitik deshalb in den letzten Monaten entscheidend verändert. Während sie noch vor wenigen Jahren eine sozialistische Wirtschaftsordnung anstrebte, haben Nujoma und seine Regierung jetzt einen äußerst pragmatischen Kurs eingeschlagen. Das spiegelt sich unter anderem in der Zusammenstellung des Kabinetts wider etwa in der Berufung des deutschstämmigen Geschäftsmannes Otto Herrigel zum Finanzminister und des konservativen Buren Gerhard Hanekom zum Landwirtschaftsminister.

Bisher ist diese Politik erfolgreich. Die befürchtete Flucht der Weißen aus Namibia ist nicht eingetreten. Statt dessen wird Nujoma von konservativen Geschäftsleuten mit Wohlwollen empfangen. Viele haben sogar die Unabhängigkeitsfeiern finanziert. „Da ist Herr Z., der seine Arbeiter ausgebeutet und diejenigen gefeuert hat, die die Swapo unterstützt haben“, schreibt eine namibische Journalistin über die Ironie des Stimmungsumschwungs in der Geschäftswelt. „Das ist also nationale Versöhnung!“

Auch die Minenkammer freut sich. „Die Unabhängigkeit Namibias wird zur Aufhebung von Sanktionen, zur Öffnung neuer Märkte und zur Anregung neuer Investitionen führen“, heißt es im Jahresbericht. Besonders erfreut ist das Management des Uranbergwerks Rössing. Die Exporte des Atomrohstoffes werden jetzt in aller Öffentlichkeit stattfinden können.

Nach dem Austausch von Wirtschaftsdelegationen hofft man auf den neuen Markt Angola. Namibia hofft auch, Erdöl aus dem Nachbarland importieren zu können, um so die Abhängigkeit von Südafrika zu reduzieren. Angola könnte andererseits Lebensmittel abnehmen - von Fleischprodukten bis zu Trinkwasser in Flaschen.

Während die Swapo die Geschäftsleute offenbar für sich gewinnen konnte, sind die Beziehungen zu Südafrika erheblich komplizierter. Der einzige Tiefseehafen des Landes, Walfischbucht, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Anlage ist südafrikanisches Gebiet, auch wenn Namibias neue Verfassung ihn ausdrücklich dem eigenen Territorium zuschreibt. „Was die Fischerei betrifft, sind wir vollkommen von der Walfischbucht abhängig“, sagt Calle Schlettwein, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Und die Fischerei soll im unabhängigen Namibia eine wichtige Rolle spielen. Das Hoheitsgebiet soll auf 200 Meilen vor der Küste ausgedehnt werden. Die Plünderung der reichen Fischvorkommen durch Schiffe aus aller Welt soll ein Ende haben.

Herrigel geht davon aus, daß Namibias regionale wirtschaftliche Bedeutung zum großen Teil von diesem Hafen abhängt. „Namibia kann einen ziemlich großen Beitrag zum Wachstum in der ganzen Region leisten, indem es seinen Verbündeten den Hafen in der Walfischbucht verfügbar macht“, sagt der Finanzminister. „Dabei gehe ich davon aus, daß (der Hafen) schon bald unter die Hohheit Namibias fällt.“

Überdies wird Namibia vorläufig in der Zollunion mit Südafrika bleiben. Immerhin bezieht das Land etwa 27 Prozent seines Einkommens aus dieser Zollunion. Die Währungsunion mit Südafrika soll allerdings spätestens in zwei Jahren aufgegeben werden. „Im Augenblick haben wir überhaupt keinen Einfluß auf die Inflation im Lande“, sagt Herrigel. „Und nur, wenn wir unsere eigene Währung haben, können wir eigene Valutareserven, die bisher alle nach Südafrika geflossen sind, aufbauen.“

Schwierige Landreform

Der Finanzminister betont, daß Namibia eine Wachtumsrate von „wesentlich über vier Prozent“ erzielen muß, um mit dem Bevölkerungswachtum Schritt zu halten. Um die hohen Erwartungen so schnell wie möglich erfüllen zu können, haben Swapo-Sprecher bisher immer die Bedeutung der Bodenreform hervorgehoben. „Wir haben sehr viel Land in Namibia“, meinte Handelsminister Ben Amathila in einem Interview Mitte letzten Jahres. Über die Umverteilung des Landes könne die Regierung allen Namibiern eine Lebensgrundlage geben. Immerhin gehören 65 Prozent des Landes den Weißen. 5.000 weiße Farmer kontrollieren die etwa 6.000 kommerziellen Farmen.

Aber eine Landreform scheint im Augenblick fast unmöglich zu sein. „Wir sind gebunden durch die Verfassung - jede Enteignung kann nur bei einem willigen Verkäufer und zu marktgerechten Preisen stattfinden“, sagt Schlettwein. „Große Enteignungen wird es nicht geben.“ Das bedeutet, daß auch die zahlreichen Farmen, die Ausländern in aller Welt vor allem auch in der Bundesrepublik - gehören, nicht morgen schon der Bevölkerung zugute kommen werden. Schlettwein hofft, daß vor allem die Entwicklung von bestehenden staatlichen Ländereien den Druck etwas reduzieren wird.“

Offenbar hat eine Beruhigung der Weißen und ihrer Befürchtungen zur Zeit Priorität. Das bedeutet auch, daß die in vielen afrikanischen Ländern zu beobachtende Landflucht, die zunehmende Verstädterung auch in Namibia bestimmend sein wird. Das wird die Abhängigkeit von ausländischen Investitionen zur Schaffung von Industriearbeitsplätzen erhöhen. Wirkliche Freiheit für Namibia wird es vorläufig nicht geben. „Bis das ungleiche System der Landverteilung und das eingefleischte System der Ausbeutung überwunden ist, wird es keine Freiheit in Namibia geben“, sagt Paul Kalenga, führendes Mitglied der Swapo-Jugendliga. „Unabhängigkeit ist nicht Endziel, sondern Anfang eines langen Kampfes.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen