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James Bond in der Soul-Version

■ Die Chester-Himes-Verfilmung „Wenn es Nacht wird in Manhattan“ um 23.10 Uhr auf SAT.1

Nachdem die kurzzeitig erfolgreichen Pioniere eines schwarzen Kinos gegen Ende der Stummfilmzeit durch produktionstechnische und wirtschaftliche Maßnahmen in den Bankrott getrieben worden waren, blieb der Regiestuhl den dunkelhäutigen Amerikanern lange Zeit verwehrt. So mußte Melvin van Peelbes noch 1967 nach Frankreich ausweichen, um seinen eigenen Roman The Pass verfilmen zu können.

Nachdem dieser Film 1968 als The Story of a Three-Day-Pass als ausländische Produktion auf dem San Francisco Film Festival erfolgreich aufgeführt worden war, bekam van Peebles von den Columbia Studios einen Vertrag angeboten und konnte die Komödie The Watermelon Man realisieren. Das Können des Multitalents van Peebles und vor allem seine (kommerziellen) Erfolge trugen dazu bei, daß auch andere Schwarze mit der Regie großer Spielfilme betraut wurden.

Dem Schauspieler Ossie Davis war zunächst nur eine Rolle in Cotton Comes To Harlem angeboten worden; dann aber übertrug man ihm die Regie des Films, an dessen Drehbuch er ebenfalls beteiligt war. Dieses Entgegenkommen gegenüber den schwarzen Künstlern lag begründet in der marktwirtschaftlichen Erkenntnis, daß die schwarzen Bürger der USA ein beachtliches Zuschauerpotential stellten. So entstand nach dem Kriminalroman des schwarzen Schriftstellers Chester Himes eine Kriminalkomödie mit schwarzen Hauptdarstellern, mitverfaßt und in Szene gesetzt von einem schwarzen Regisseur. Auch wenn Ossie Davis auf Intervention des weißen Produzenten Sam Goldwyn jr. etliche Kompromisse eingehen mußte und letztlich mit dem Endprodukt nicht ganz zufrieden war, so ist seine Haltung nicht zu übersehen. Unverhohlen wie selten zuvor in der Filmgeschichte werden Weiße verulkt. Die Hauptfiguren, die beiden schwarzen Polizisten Gravedigger Jones und Coffin Ed Johnson, sind souveräne Helden einer verwickelten Geschichte und haben ihren — in doppeltem Sinne — farblosen Kollegen einiges voraus. Dies war damals immerhin so ungewöhnlich, daß Lindsay Patterson erstaunt konstatierte: „Believe it or not, Harlem is going to get is own soul version of James Bond.“

Davis ließ es sich nicht nehmen, auch der schwarzen Gemeinde etliche satirische Spitzen zu widmen, und er hat einige Insider-jokes eingebaut, so wenn er die Rolle des zweifelhaften Reverend O'Malley mit dem Schauspieler Calvin Lockhart besetzt, der Mitte der Sechziger als Nachfolger Sidney Poitiers galt, dem Sinnbild des etablierten, geschäftlich erfolgreichen und darum für Weiße akzeptablen „Mittelstandsnegers“.

Ein bemerkenswertes Novum war ferner, daß die Dreharbeiten „on location“ in Harlem stattfanden und so ein, gemessen an anderen Kinofilmen, relativ realistisches Bild des vernachlässigten Stadtteils entstand. Obwohl das Team von der Black Citizens Patrol bewacht wurde, kam es doch zu einem Zwischenfall, als eine weiße Mitarbeiterin mit einer Flasche beworfen und dabei verletzt wurde. Insgesamt verliefen die Dreharbeiten jedoch harmonisch, zumal zahlreiche Ghettobewohner von der Produktion für Neben- und Statistenrollen oder Hilfstätigkeiten engagiert worden waren.

Cotton Comes to Harlem war beim schwarzen Publikum erfolgreich. Die Produktionsfirma United Artists hätte allerdings gern gesehen, daß der Film auch weiße Zuschauer erreicht, und verzichtete auf eine Fortsetzung.

Warner Brothers übernahmen das Projekt und ließen den schwarzen TV-Regisseur Mark Warren Come Back, Charleston Blue inszenieren, was Ossie Davis aufgrund konzeptioneller Bedenken abgelehnt hatte. Vielleicht taucht ja auch dieser Film mal bei irgendeinem Kabelsender auf, so daß ein Vergleich beider Werke möglich wird. Harald Keller

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