: Die Jumbos sollen in Jüterbog landen
■ Gutachten empfiehlt Jüterbog als Standort des neuen Großflughafens/ Schönefeld gilt als ungeeignet, Ausbau wird aber trotzdem weiter geprüft
Berlin. Die zwei am besten geeigneten Standorte für den geplanten neuen Berliner Großflughafen liegen östlich und westlich der brandenburgischen Kreisstadt Jüterbog, sechzig Kilometer südlich von Berlin. »Grundsätzlich geeignet« sind außerdem zwei Standorte bei Borkheide und Michelsdorf, gut fünfzig Kilometer südöstlich der Hauptstadt. Zu diesem Urteil kommt ein von der brandenburgischen Landesregierung bestelltes Gutachten, dessen Ergebnisse gestern vorgestellt wurden.
Den Berliner Senat bringt das Gutachten in Bedrängnis. Der von ihm favorisierte Ausbau des Flughafens Schönefeld bekam in der Expertise denkbar schlechte Noten: »Bei strenger Anwendung der für einen Neubau maßgeblichen Kriterien« wäre ein Ausbau von Schönefeld »auszuscheiden«, schreiben die Gutachter. Sie verweisen vor allem auf die große Zahl von Anwohnern, die unter dem Lärm des Airports zu leiden hätten. Die Lieblingsvariante des Senates — ein Neubau unmittelbar südlich von Schönefeld — scheide allein deshalb aus, weil hier die Fläche »nicht ausreichend« sei. Dennoch empfehlen die Gutachter, das jetzige Schönefelder Flugfeld wegen seiner »wesentlich größeren Stadtnähe und vorhandener Infrastruktureinrichtungen« als Alternative in das Raumordnungsverfahren »einzubeziehen«.
Schönefeld sei weiterhin eine »prüfenswerte Alternative«, beharrte gestern der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Auch der brandenburgische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) wollte nicht ausschließen, in dem nun folgenden Raumordnungsverfahren alle fünf Standorte prüfen zu lassen. Die endgültige Entscheidung könne dann im Spätsommer 1993 folgen.
Der Berliner Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) verwies gestern erneut auf die Vorteile von Schönefeld. Werde der Großflughafen in Stadtnähe gebaut, sei es eher möglich, die innerstädtischen Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld zu schließen. Die Gutachter, so Hassemer, hätten lediglich den Auftrag gehabt, die betreffenden Areale auf ihre technische und ökologische Eignung zu untersuchen. Im Raumordnungsverfahren müsse nun geprüft werden, wie sich die Standorte in die Regionalentwicklung und das Verkehrsnetz einpassen würden.
Die Gutachter hatten alle potentiell geeigneten Flächen in einem Umkreis von 60 Kilometern um den Lehrter Bahnhof untersucht. Von dort soll der Flughafen innerhalb von 45 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Mit sieben Kilometern Länge und vier Kilometern Breite wird die Ausdehnung des neuen Airports beträchtlich sein: Geplant sind vier je 4.000 Meter lange Start- und Landebahnen.
Bei den von den Gutachtern favorisierten Jüterbogern Standorten handelt es sich in beiden Fällen um ehemals sowjetische Truppenübungsplätze. Das Areal in Borkheide, ebenfalls Truppenübungsplatz, wird heute von der Bundeswehr genutzt. Ökologisch heikler wäre ein Flughafenbau in Michelsdorf: Die in Rede stehende Fläche ist zu 60 Prozent von Wald bedeckt. Ausgeschieden ist der vieldiskutierte bisherige Militärflughafen in Sperenberg. Weil hier mehrere Naturschutzgebiete und das Grundwasser in Mitleidenschaft gezogen würden, sei Sperenberg »wenig geeignet«, urteilten die Gutachter.
Die Frage, ob es für den neuen Superflughafen einen Bedarf gibt, wird in der Expertise eindeutig bejaht. Schon Mitte des nächsten Jahrzehnts sei die Kapazität der drei bestehenden Flughäfen erschöpft. Im Jahr 2010 werde das Aufkommen — je nach Szenario — zwischen 22 und 47 Millionen Passagieren liegen.
Michael Cramer, der Verkehrsexperte der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, forderte »als erste Konsequenz« aus dem Gutachten einen »sofortigen Ausbaustopp für alle innerstädtischen Flughäfen« sowie für die Airports in Dresden und Leipzig. Auch nach dem Wortlaut des Gutachtens, so Cramers Hinweis, »muß« eine Schließung von Tegel und Tempelhof »langfristig erwogen« werden, da sich hier »gravierende ökologische und sicherheitstechnische Probleme« stellen. hmt
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