: Der Grüne und sein Stern
■ Zum „Umwelt-Forum“ von Mercedes sagte der Umweltsenator grüne Grußworte
Was würde er sagen? Würde der grüne Umweltsenator den größten Arbeitgeber Bremens vor den Kopf stoßen? Oder würde er eine opportunistische Verbeugung machen vor den Herren dieses mächtigen Konzerns, der Mililiarden verdient am Umweltfeind Nummer eins, dem Auto? Würde er die zugegeben imponierenden Investitionen bei Mercedes für umweltfreundliche Entwicklung, Produktion und Recycling, diese Präsentation „Umwelt Forum“ im feinen Rathaus-Saal einfach prima finden? Die Kunst der Balance.
„Sie werden von mir keine unkritische Rede erwarten, bei allem Respekt vor den Umweltschutz- Aktivitäten des Unternehmens“, kündigte Fücks an, und er hielt tatsächlich Wort. Es gab keinen Eklat, es gab sogar Beifall. Aber eben auch klare Worte. „Nach wie vor sind Umweltschutz und Automobil geborene Gegesätze“, sagte der Grüne den Autobauern freundlich ins Gesicht, „aber neue schadstoffarme Technologien, Recycling, die effektive Nutzung von Rohstoffen und Energie — das paßt mit ökologischer Politik zusammen.“
Das Problem mit dem kleinen Unterschied zwischen persönlicher Einsicht und tatsächlichem Verhalten haben nach wie vor beim Thema Verkehr auch die Bundesdeutschen: Als eines ihrer „größten Probleme“ geben sie nach einer Untersuchung Ozonloch und Luftverschmutzung an, aber auch bei doppeltem Benzinpreis wollen 74% der West- und 66% der Ostdeutschen mit dem Auto zur Arbeit fahren. „Die Beziehung zwischen Mensch und Auto ist psychologisch geprägt“, schloß Fücks daraus, „ÖPNV und Schienenverkehr sind nicht attraktiv genug, und der Benzinpreis ist viel zu niedrig.“
In der aufwendig gemachten Umwelt-Ausstellung im Rathaus präsentiert Mercedes auch sein Engagement für den Tropenwald z. B. in Brasilien. Fücks stellte dazu zwei Zusammenhänge her, die in der Ausstellung nicht vorkommen: ein anderer Automobilkonzern sei ökonomisch an Brandrodungen für Rinderherden beteiligt, und ausgerechnet der Grüne Willi Hoss, Ex-Betriebsrat, arbeitet mit an dem Daimler-Projekt. Fücks: „Letztlich wird die Automobil-Industrie aber nicht an ökologischen Kompensationsprojekten gemessen, sondern an der ökologischen Bilanz ihrer Produkte.“
Gegenüber der „süßen Lebenslüge unseres Wirtschaftens, wir könnten mit ein bißchen Öko- Technik weitermachen wie bisher“, prognostizierte Fücks vor den rund 400 ZuhörerInnen: „Langfristig hat die Automobilgesellschaft keine Zukunft.“ Seine Forderungen: Wesentlich höhere Teibstoffpreise, Verbesserung des ÖPNV, Beschränkung bis Verbot des Individualverkehrs in Städten, Rückbau statt Ausbau von Straßen.
Fücks ist da in prominenter Gesellschaft: Der neue amerikanische Vizepräsident Al Gore hat in einem Buch ähnliche Thesen aufgestellt. Und ausgerechnet Daimler hat eine Studie für Berlin zum Thema ÖPNV und IV erarbeitet, mit ähnlichen Ergbnissen. Inzwischen gibt es Firmen und Konzerne, die in der Verkehrspolitik weiter denken als manche Verkehrsplaner. S.P.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen