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Post-Verkehr überrollt Hamburg

■ Die Pläne zum Kahlschlag im Postämternetz programmieren eine neue Autolawine / Hamburgs Beitrag zur Klimakatastrophe? n Von Florian Marten

Mit einem knallharten Rationalisierungsprogramm will die Bundespost ihren Hamburger Postämterdschungel aufmischen. Die Parole lautet: Sowenig wie möglich, so viel wie nötig. Eine ganz entscheidende Rolle bei diesem Programm spielt dabei ein altehrwürdiges Utensil aus dem Geometrieunterricht - der Zirkel.

Ein kleiner fester Stich, dann holt der Zirkel weiträumig aus: 7,5 Zentimeter läßt die spitze Bleistiftmine zwischen sich und dem Metalldorn: 7,5 Zentimeter auf dem Stadtplan, das sind 1,5 Kilometer Luftlinie in der Stadt und mindestens 2000 Meter Weg. Diese Entfernung ist die neue Meßlatte der Post für eine stadt-, sozial- und kundenverträgliche Postamtsdichte. Ämter, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen, von Großkunden nicht besonders geliebt werden und keine teuren Serviceanlagen besitzen, werden nur dann eine Überlebenschance haben, wenn kein anderes Amt sie per Zirkelkreis überrollen kann.

Der Zirkeltest

Derzeit muß sich knapp die Hälfte der 153 Hamburger Ämter dem Zirkeltest unterziehen. Wieviele nachher tatsächlich geschlossenwerden, hängt von Betriebswirtschaft, Stirnrunzeln der Oberpostdirektion Hamburg (der Chef hat sich die Einzelentscheidung für jede Schließung vorbehalten) und dem abschließenden OK der Generaldirektion in Bonn ab.

Verkehrs- und Sozialpolitiker wurden nicht gefragt. Alte Menschen z.B., deren Zahl in Hamburg täglich wächst, haben schon heute oft Probleme mit dem weiten Weg zu Telefonkarte, Paketannahme und Rentenschalter. Zwei Kilometer, eine knappe Stunde Fußmarsch, dürften viele aus dem Kreis der normalen Postnutzer kicken. Ein erwünschter Effekt. Umständliche Kleinkunden abwimmeln - auch das senkt Kosten.

Etwas schwieriger wird es mit den Normalkunden. Sie sollen weiter hinkommen. Voraussichtlich werden es die meisten auch tun. Statt Fuß und Fahrrad wird dann das Auto genommen. Untersuchungen über das Mobilitätsverhalten zeigen, daß heute schon 300 bis 500 Meter eine kritische Grenze für den Übergang zum Auto sind. Da die Mehrzahl der wohnortsnahen Postämter zudem schlecht an den ÖPNV angebunden ist (kaum eines liegt an einer Schnellbahnhaltestelle), ist der Weg zum Mehrverkehr programmiert. Nach groben Schätzungen dürften Hamburgs Postämter jährlich zirka 20 Millionen Kunden haben, das sind 40 Millionen Wege. Wenn nur 10 Prozent davon von Fuß und Rad aufs Auto umsteigen, hat Hamburg 4 Millionen zusätzlicher Kurzstreckenautofahrten mit Parkplatzsuche beim Postamt pro Jahr mehr.

Alternativen zum Konzept ihrer Rationalisierung durch Dezentralisierung prüft die Post gegenwärtig nicht. Dabei wäre es durchaus denkbar, mit einem intelligenten Dezentralisierungskonzept soziale Belange, Minderungen des Verkehrs und knallharte Rationalisierung unter einen Hut zu bringen. Zum Beispiel könnten Postdienstleistungen über die Lotto- und Toto-Annahmestellen vertrieben werden - das Ausland zeigt, wie diese Art postalischer Lebensqualität funktioniert. Spannend wäre auch eine Kooperation von Bank- und Postfilialen, wofür allerdings erst Bundesgesetze geändert werden müßten, was angesichts der derzeitigen Inflation von Grundgesetzänderungen kein Problem sein dürfte, wenn damit Verkehr verringert, Bank- und Postdienstleistung ausgeweitet, Kosten gesenkt und städtische Lebensqualität gleichzeitig verbessert werden könne.

Auf dem flachen Land denkt die Post schon vorsichtig in diese Richtung. In einem Modellversuch werden jetzt 500 Lebensmittelläden probehalber mit einer Postagentur veredelt. Das aber, so ein kritischer Insider, sei die Ausnahme von der Regel: „Hierarchische Behördenbetriebe wie die Post denken, wenn überhaupt, nur in Richtung Zentralisierung.“

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