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Amnesty prüft Polizei-Übergriff

■ Mißhandlung vonFotografin beschäftigt Menschenrechtsorganisation    von Kai von Appen

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) wird den brutalen Polizei-Übergriff auf die Fotografin Marily Stroux untersuchen. Das bestätigte Michael C. Butler vom Europasekretariat in London. Amnesty, das früher nur die „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Strafgefangenen“ in der Bundesrepublik angeprangert hat, hatte sich Ende des vorigen Jahres bereits mit den „Menschenrechtsverletzungen“ in der Revierwache 16 auseinandergesetzt.

„Seit geraumer Zeit verfolgen wir Berichte, in denen behauptet wird, daß Hamburger Polizeibeamte Bürger mißhandelt haben“, begründet Michael Butler das ai-Engagement. „Wir sind daher sehr an diesem Fall interessiert, sofern das Opfer eine Intervention von amnesty international in dieser Angelegenheit begüßt.“

Marily Stroux hatte sich am 25. November 1992 beruflich in einer Wohnung der Hafenstraße 110 aufgehalten, um eine Räumung im Bild festzuhalten. Als Bereitschaftspolizisten des „Zugs 954“ den Raum betraten, versuchten die Beamten, Marily Stroux die Kamera wegzuschlagen. Sodann wurde die Fotografin aus dem Raum gezerrt und die Treppe hinuntergestoßen. Unten angekommen entriß ihr ein weiterer Uniformierter die Kamera und schleuderte sie zu Boden. Marily Stroux erlitt durch den Sturz einen Steißbeinbruch und war über Wochen arbeitsunfähig.

Gegen die Beamten wurde noch vor Ort Strafsantrag wegen „Körperverletzung im Amt“ gestellt. Die IG Medien reichte überdies beim Verwaltungsgericht Feststellungsklage ein, da der Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen sei. Butler: „Laut den Berichten war Marily Stroux Opfer einer polizeilichen Mißhandlung, die es nun zu untersuchen gilt.“

Daß Polizeibeamte gesetzeswidrig gegen Bürger vorgehen, ist für Butler inzwischen nichts Neues mehr. Mehrere Monate untersuchte er Vorfälle, die sich im und am Revier 16 Lerchenstraße zugetragen haben. Im Mai-Bericht „Betrifft Europa“, in dem ai über Vorfälle in Europa informiert, befindet sich – neben Berichten aus Albanien, Bosnien, Kroatien – auch ein Kapitel über Hamburgs Polizei. Darin berichtet ai über die Übergriffe der berüchtigten „16E“-Fahnder.

Aufgeführt werden die Fälle Lutz Priebe (Nasenbeinbruch) und Frank Fennel (Nierenquetschung und Gehirnerschütterung). Beide waren von „16E“lern verprügelt worden. Das Hamburger Landgericht hatte deswegen im Februar die Polizei zur Zahlung von Schmerzensgeldern in Höhe von 2500 und 4000 Mark verdonnert. Butler: „Wir haben den Innensenator im Mai angeschrieben und gefragt, ob vor dem Hintergrund der Landgerichtsurteile nun die Beamten, die Menschen mißhandelt haben, zur Rechenschaft gezogen werden.“

In dem von Marily Stroux angestrengten Verwaltungsgerichtsverfahren versucht die Polizei in alter „16E“-Manier den Spieß umzudrehen: fast der ganze „Zug 945“ wird aufgeboten, um eine Gegenversion aufzubauen. O-Ton: „Es ist unzutreffend, daß die Klägerin durch einen Polizeibeamten die Treppe hinuntergestoßen wurde.“ Nach der Polizeiversion habe die Journalistin vielmehr die Polizisten als „Schweine“ und „Arschlöcher“ beschimpft. Als die Fotografin das Haus nicht habe verlassen wollen, sei es zu einem Gerangel gekommen. „Durch das laute Schreien der Klägerin aufmerksam geworden, ging der Polizeimeister Kobusynski zu der Personengruppe und wollte die Kamera der Klägerin an sich nehmen, um Beschädigungen zu vermeiden.“ Daraufhin habe Marily Stroux den Beamten dreimal gegen das Schienbein getreten, bevor die Polizisten sie zur Absperrkette „geführt“ hätten. Gegen Stroux ist mittlerweile Strafantrag wegen Körperverletzung gestellt worden.

Daß man mit falschen Beweismittel auch auf die Nase fallen kann, muß derzeit – wie berichtet – der Vizechef des Einsatzzugs-Süd, Gerd Schröder, erfahren. Gegen ihn wird heute vor dem Amtsgericht Altona das Urteil erwartet. Er soll dem Journalisten Oliver Neß einen Schlag ins Gesicht verpaßt haben.

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