piwik no script img

„Massive Eingriffe“ prägen den Haushalt

■ Senat legte Etat für 1994 vor / Rekordverschuldung, jede Menge Mittelkürzungen, eine Stunde Mehrarbeit für Beamte

Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit für die Berliner Beamten ist zweifellos die spektakulärste Entscheidung, die der Senat im Rahmen der Haushaltsberatungen für das Jahr 1994 getroffen hat – die effizienteste ist es nicht. Wie der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gestern nach der Senatssitzung erläuterte, bringt die eine Stunde Mehrarbeit pro Jahr lediglich 20 Millionen Mark in das Stadtsäckel. Eine Summe, die sich eher bescheiden ausnimmt gegenüber den zwei Milliarden Mark, um die der Senat in den vergangenen Tagen die Einzeletats kürzen mußte, um den Haushalt in Höhe von 43,675 Milliarden Mark decken zu können.

Der Etat blieb mit einer Steigerung von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr unterhalb der Inflationsrate. Nur 15,8 Milliarden Mark davon werden durch Steuereinnahmen gedeckt werden, 6,182 Milliarden schießt der Bund zu, und aus dem Fonds Deutsche Einheit erhält Berlin weitere 2,8 Milliarden Mark. Auf 7,5 Milliarden Mark steigt die Nettoneuverschuldung, sie liegt damit weit über den investiven Ausgaben in Höhe von 6,3 Milliarden. Eigentlich schreibt die Verfassung vor, daß die Schulden diese Rate nicht überschreiten dürfen. Finanzsenator Elmar Pieroth hält das Defizit in dieser Höhe deshalb auch für einmalig und erwartet in den kommenden Jahren eine erhebliche Reduzierung.

„Sozial ausgewogen und volkswirtschaftlich richtig“ nannte Diepgen den Haushalt, wenngleich er „massive Eingriffe“ beinhalte, „die der ein oder andere als persönliche Zumutung begreifen wird“. Zu diesen Zumutungen zählt sicher der Abbau der Studienplatzzahlen von 115.000 auf 100.000. Dieser soll bis zum Jahr 2003 erfolgen. Die Emotionen werden auch am Schiller- und am Schloßpark-Theater hochgehen, die mit Ablauf der Spielzeit geschlossen werden, wie auch beim Symphonischen Orchester und bei der Kunsthalle, deren Subventionen gleichfalls wegfallen. Die Selbsthilfegruppen müssen sich mit 60 Millionen Mark weniger als bisher begnügen, immerhin ein Zehntel ihrer Zuwendungen. Mit diesen Maßnahmen werden allerdings „nur“ zweistellige Millionenbeträge eingespart. Weitaus größere Summen soll der Abbau von 3.500 Stellen in der Verwaltung (200 Millionen), die Privatisierung von Bädern, Sport- und anderen Anlagen (250 Millionen) sowie der Verkauf von „Tafelsilber“ (500 Millionen) erbringen. Zu letzterem zählen die Beteiligungen und der Grundbesitz des Landes. Einzig die Berliner Polizei sowie die Staatsanwälte und Richter werden von der „persönlichen Zumutung“ verschont. Im Sicherheitsbereich will Diepgen nicht streichen, denn „die Präsenz der Polizei auf den Straßen muß noch weiter erhöht, Kriminalität noch härter bekämpft werden“. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen