: Breites Bündnis gegen Hakki Keskin
■ Nun auch Kritik der nichtdeutschen SPDler an der Keskin-Nominierung
Der SPD-Krach um die Nominierung von Hakki Keskin zur Bürgerschaftswahl geht weiter: Nachdem zunächst die Parteirechte gegen die Aufstellung des Türken mit deutschem Paß gewettert hatte und die WählerInnen zu den Reps und der DVU abwandern sieht, machen nun auch die ausländischen SPD-Genosssen gegen Keskin mobil. Keskin würde nicht die Interessen der 200000 Nichtdeutschen, sondern nur die Position eines kleinen Teils islamisch-fundamentalistischer und nationalistischer Türken vertreten.
Wenn am Sonntag der SPD-Landesparteitag zur Kandidatenkür schreitet, wird Keskin auf Platz 50 gegen den Kurden Hüseyin Yavuz antreten müssen. Das kündigten mehrere nichtdeutsche SPDler gegenüber der taz an. Der Kurde war vom „Arbeitskreis Ausländer in der SPD“ nach langer Diskussion und mit eindeutigem Votum als Vertreter der Nichdeutschen vorgeschlagen worden.
Doch der SPD-Landesvorstand habe den Wunsch der nichtdeutschen Genossen kurzerhand ignoriert und, so der Vorwurf, „in einer Nacht und Nebel Aktion Keskin aus dem Hut gezaubert.“ Turgut Öker, Vorsitzender des Alevitischen Kulturzentrums: „In keinem anderen Bereich sind vom Landesvorstand Kandidaten gegen das Votum der Parteigliederung aufgestellt worden. Das ist eine miserable Haltung gegenüber den Ausländern.“
Der Zorn der nichtdeutschen Genossen richtet sich aber weniger gegen die Prozedur, sondern vor allem gegen die Politik Hakki Keskin. Dem Hochschulprofessor wird vorgeworfen, lediglich die offizielle Politik des türkischen Regimes zu vertreten und mit seiner Politik in Hamburg Volksgruppen wie die 40000 Kurden und 30000 Aleviten auszugrenzen.
Besonderer Stein des Anstoßes: Keskin habe im April 1992 als Vorsitzender des Bund Türkischer Einwanderer (TGB) – kurz nach den Kurdenmassakern durch die türkische Armee in Sirnak – eine Anzeigenkampagne organisiert, in der die Bundesregierung zur Aufhebung des Waffenembargos gegen die Türkei aufgefordert wurde. In der Anzeigenkampagne sei die Unterdrückung der Kurden geleugnet worden. Hingegen werde die Kurdische Arbeiterpartei PKK, die seit Jahren den Kurden-Aufstand anführt, als „terrorristische Vereinigung“ denunziert.
Für sein Engamenent wurde Keskin in der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ sehr gelobt. Zum ersten Mal sei es gelungen, durch „lobbyistisches Verhalten“ und „gemeinsames Eintreten“ – „an erster Stelle das Bündnis Türkischer Einwanderer in Hamburg“ – eine Anzeige zur Unterstützung der offiziellen türkischen Politik zu schalten. Der Sozialdemokrat Abdullah Örmak: „Eine solche Politik in die Bürgerschaft zu tragen, kann nicht hingenommen werden.“
Sinn und Zweck der jahrelangen SPD-internen Diskussionen im Arbeitskreis Ausländer sei es gewesen, inhaltliche Politik durch einen Nichtdeutschen in die Bürgerschaft zu tragen. Und nicht, daß Hakki Keskin als „Vorzeigeausländer“ seine Privatmeinung und die Direktiven aus dem türkischen Konsulat ins Parlament trage. Turgur Öker: „Viele im SPD Landesvorstand haben von Ausländerpolitik keine Ahnung – nur so konnte Keskin nomiert werden.“ Die nichtdeutschen Basisgenossen fordern daher den Landesparteitag auf, die „Nominierungsentscheidung zu überdenkenken. SPDler Musa Sen: „Sonst ist es nichts anderes, als die Lichterketten in Stimmen umzuwandeln.“
Hakki Keskin weist die Vorwürfe zurück, daß er keine Integrationsfigur sei. „Ich habe seit Jahren ein breites Bündnis von rechts bis links zusammengefaßt.“ Die Anzeige habe er damals unterstützt, weil die neue Demirel-Regierung eine Wende in der Kurdenpolitik und eine Demokratisierung der Türkei angekündigt habe, die es zu unterstützen galt. Keskin: „Wenn die Kurden in einem Referendum für die Unabhändigkeit stimmen, ist es gut. Ich lehne nur die Gewalt der PKK ab.“ Keskin plädierte im Interesse der Einwanderer, die Diskussion um seine Nomierung einzustellen. „Der Kurde Hüseyin Vavuz hat gegen mich kandidiert und verloren. Wenn nun Leute auf diesem Weg gegen meine Person zu Felde ziehen, finde ich das unfair.“
Kai von Appen
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