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■ SCHÖNER LEBENKernpudelinnen

SCHÖNER LEBEN

Kernpudelinnen

Sie steht mit Vorliebe an allen Zäunen. Wie eine kleine Hündin. Aber sie wedelt mit der Zunge. Sie ist meine Nachbarin und sagt tschüssing zum Abschied. Kaum kommt sie raus wie aus einem Wetterhäuschen, kommen gleich die von links und die von rechts und manchmal eben auch ich und wedeln mit. Mit der linken reden wir schon mal häßlich von der rechten, und wenn ich weg bin, reden sie über mich. Das weiß ich von der gegenüber. Aber das macht nichts, Hauptsache, sie lachen zwischendurch; das klingt durch unsere Straße, als wär' sie ein Dorf.

Gestern haben wir mit der Nachbarin von weiter vorne, also die mit dem Beulenhund, also der mit der Krebsgeschwulst, och, Sie, das macht nix, der is schon 20, so lange über den neuen Blondton von unserer Nachbarin von der Ecke gehechelt, daß der arme Hund eingeschlafen ist, aber er ist auch nur ein Vorwand. Auf einmal kommt die eine Nachbarin von ganz hinen, also die, die immer so tut, als wär' sie Gottweißwas, und stellt sich glatt dazu. Wir waren gleich still. Schließlich gehört nur dazu, wer zehn Minuten ohne mit der Wimper zu zucken über die Kostümabteilung bei Karstadt reden kann.

Anschauen tun wir uns selten: ein Auge brauchen wir für die Haustüre wegen herausschleichender Heimtiere oder Ehemänner, das andere für die Straßenkontrolle. Wir sind jetzt schon sehr vertraut und es macht uns nichts, mit Frau O. ohne ihr Gebiß zu sprechen. Obwohl, als sie neulich die Vorhautoperation ihres Sohnes erwähnte, waren wir doch zuerst verunsichert. Ich weiß nicht genau, wieso ich eigentlich dabei bin. Vielleicht ist es das Gefühl, man gehörte dazu und wäre auch ein Kernpudel. Weil es am Ende doch Frau A. und Frau O. sind, die die Welt im Innersten zusammenhalten. Claudia K.

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