: Ein talentierter Strippenzieher, um den es einsamer wurde
■ Curilla meets Uldall: Wer ist das Sparschwein Nummer 1? Die taz-Serie zur Wahl / Heute letzte Folge: Bürgermeister Henning Voscherau
Wer ist der beste Solist im Hamburger Streichkonzert - Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Curilla (SPD) oder Gunnar Uldall, sein Kontrahent aus den Reihen der Union? In der Handelskammer traten die beiden Rotstift-Experten gestern zum ultimativen Wortgefecht um die Krone des Hamburger Meisters in der Disziplin „Gürtel enger schnallen“ an. Und sparten nicht an Selbstlob.
Der Herausforderer präsentierte ein verblüffend einfaches, todsicheres Konzept: Die Ausgaben der Hansestadt müßten nur jährlich um etwa zwei Prozent stärker steigen als die Einnahmen, und - schwuppdiwupp - schon muß Hamburg Ende des Jahrzehnts keine Schulden mehr machen. Kein ganz neuer Vorschlag, denn einen entsprechenden Beschluß faßte der Senat schon 1991, scheiterte aber vor allem am konjunkturbedingten Steuereinbruch. Curillas Kommentar zu dem Zweit-Aufguß fiel deshalb knapp aus: „Ehrenwert, aber nicht realistisch“.
Der Finanzsenator präsentierte sich vor allem selbstzufrieden. Schließlich habe er, Wolfgang Curilla, die Haushaltssteigerungen in seiner Amtszeit von 8,7 Prozent (1991) auf 3,2 Prozent (Haushaltsplanentwurf 1994) gedrückt. Daß sich die Hamburger Steuer-Einnahmen im gleichen Zeitraum unbefriedigend entwickelt haben, sei schließlich nicht seine Schuld, sondern liege an der Konjunkturflaute und vor allem an Bonn, wo der Bundestagsabgeordnete Uldall ja im Haushaltsausschuß sitzt und sein Parteifreund Echternach sogar als Staatssekretär im Finanzministerium. Also, Herr Uldall, „bringen Sie doch bitte den Haushalt erst mal da in Ordnung, wo sie Verantwortung tragen“.
Da konnte der Angegriffene nur darauf verweisen, daß die Bundesregierung ja nun wirklich – im Gegensatz zu Herrn Curilla – rigiden Sparwillen zeige, aber die Einheit, die Deutsche Einheit sei ja so schrecklich kostspielig. Also zurück nach Hamburg: Dort will Uldall vor allen an die Lohnkosten für die öffentlich Bediensteten ran. Eine Nullrunde für alle Beamten müsse 1994 her, die Tariferhöhungen für die städtischen Angestellten müßten durch Personaleinsparungen ausgeglichen werden.
Die Konsequenzen laut Curilla: Massiver Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Denn jedes von den Tarifparteien ausgehandelte zusätzliche Lohnprozent kostet die Stadt 79 Millionen Mark. Um etwa eine dreiprozentige Tarifsteigerung fiskalisch auszugleichen, müßte Hamburg 4700 Stellen abbauen. Dazu fiel Uldall nicht mehr viel ein. Er wird am Wochenende bestimmt noch mal ganz genau nachrechnen, ob das auch alles so stimmt.mac
„Der Präsident des Senats hat die Aufgabe, die Senatsgeschäfte zu leiten, das innere und äußere Gedeihen des Staatswesens zu überwachen, für wichtige Staatsangelegenheiten persönlich einzutreten und grundlegende Arbeiten auf dem Gebiet der Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern.“ Unverbindlich, sehr allgemein gehalten sind die Aufgaben Henning Voscheraus in Artikel 41, Absatz 2 der Hamburgischen Verfassung festgeschrieben.
Kein Wort steht da, zum Ärger des Amtsinhabers, von Richtlinienkompetenz, vom letzten Wort. Der Chef ist nur einer von 14, zuständig für alles und nichts, abhängig von der Riege, die ihn umstellt, und die er zum Großteil noch nicht einmal selbst aussuchen darf. Da müssen Bezirksfürsten bei Laune gehalten werden und Sozi-Machtkonstellationen angemessen repräsentiert sein.
Daß sich Voscherau bei der Zusammenstellung seines aktuellen Senats an diese internen Vorgaben nicht in allen Fällen hielt, die alten Freunde aus der Wandsbeker Heimat nicht immer wunschgemäß bediente, hat ihn einige Punkte auf der nach oben offenen Filzskala gekostet. Es ist einsamer geworden um den talentierten Strippenzieher, der einst als Fraktionschef filigran mit den Fäden der Macht spielte und seinen Vorgänger Klaus von Dohnanyi ebenso zur Weißglut trieb wie seinen einstigen Koalitionspartner Ingo von Münch. Noch heute steigt der Adrenalinspiegel des quicken Freidemokraten erheblich, wenn die Rede auf den Senatschef kommt. Sich Feinde zu machen, diese Übung beherrscht der Bürgermeister aus dem Effeff. Die Wirkungen dieses Talents bekam Voscherau auch in der eigenen Partei vor dem Neuwahl-Urteil zu spüren.
Trotz – oder gerade wegen – dieses Rückgangs der Filzwerte, der Spruch der Verfassungsrichter hätte für den Senatschef geradezu ein Jungbrunnen sein können. Nicht nur, „daß ein Spitzenkandidat vor der Wahl immer am stärksten ist“, wie Voscherau mit Blick auf die Übelwollenden aus den eigenen Reihen formuliert. Auch die Voraussetzungen für eine Verteidigung der Mehrheit waren eigentlich gar nicht schlecht. Eine von der Opposition verschuldete Wahlwiederholung? Welch gefundenes Fressen für eine Regierungspartei!! Daß Voscherau trotz dieser Vorlage, trotz des Amtsbonus und trotz eines für Hamburger Politiker-Verhältnisse gar nicht schlechtes Images beim Wahlvolk um seine Mehrheit bangt, hängt wohl nicht allein von schlechten Rahmenbedingungen und den Hamburger Medien ab, die die Emissionen des Stadtchefs selten positiv beurteilten.
Der prognostizierte Rückgang des SPD-Stimmenanteils um rund acht Prozent muß wohl auch mit der Leistungsbilanz des Voscherau-Senats zusammenhängen. Dort stehen zwar 13.100 Wohnungen, 46.000 neue Arbeitsplätze und was sonst noch flächendeckend plakatiert wurde. Doch bei den Menschen bleiben andere Dinge hängen. Bei einigen, daß die neuen Häuser die Wohnungsnot nicht lindern und daß die Arbeitslosenzahlen steigen. Bei anderen der Diätenskandal und der Stadtentwicklungsflop. Alles Dinge, die der Präsident des Senats nicht direkt oder allein verschuldet hat. Aber verantwortlich ist er ja wohl doch, jedenfalls wenn man nach der Verfassung geht. Uli Exner
as Testergebnis im Überblick:
Filz: außerhalb der Vorwahlzeit recht porös
Emissionswerte: abnehmende Tendenz
Leistung:... nun sind Sie am Zug, liebeR LeserIn.
Schluß
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